Der Zuckerbäcker und die lange Nacht

  • Der Zuckerbäcker und die lange Nacht



    Iven hatte lange überlegt, ob er Rene ansprechen sollte. Letztendlich entschied er sich dafür, denn es war am Ende Renes Wahl, was aus er aus der Warnung machte.


    Die beiden alten Männer saßen sich in der kleinen Taverne gegenüber. Rene sah so aus, wie ihn Iven in Erinnerung hatte. Ein alter Seebär, der vermutlich genau Frederics Geschmack entsprach. Aber was letztendlich dessen Geschmack war, hatte Iven selbst nicht herausfinden können.


    Iven hob seinen Humpen und prostete Rene zu, bevor er zu erzählen begann.


    "Dein Verlobter war bei mir und bat mich darum, für Euch die Hochzeitstorte zu backen. Er stellte gleich klar, dass er die Torte nicht als Hochzeitsgeschenk haben möchte. Fred wollte niemand anderen damit beauftragen und mir einen Auftrag verschaffen. Sozusagen als Friedensangebot.


    Darum unser Gespräch Rene. Ich hatte mit Frederic niemals Streit.
    Nicht was Du unter Streit verstehen würdest und das sagte ich Deinem zukünftigen Mann auch.


    Frederic ist kein schlechter Mann, aber ein sehr komplizierter.
    Seine Art wie er manchmal mit mir umging, oder auch weshalb wir uns getrennt haben, war verletzend.


    Mein Leben war im Gegensatz zu Deinem immer klein und beschaulich. Meine Eltern gingen früh, genauso meine Schwester. Es war die Zeit wo vor gut 60 Jahren, diese seltsam Erkältung durch die Lande zog und viele Menschen das Leben kostete. Ich selbst war auch schwer krank, hustete Blut und hätte es fast nicht geschafft, aber Ainuwar meinte es gut mit mir. Am Ende schaffte ich es doch mich zurück ins Leben zu kämpfen.


    Wie es üblich ist, übernahm ich den Laden meines Vaters. Ich hätte auch nie etwas anderes werden wollen als Zuckerbäcker. Ich bin mit diesem herrlichen Beruf aufgewachsen und für mich kam nie etwas anderes in Frage.


    Mein Beruf machte mir immer Freude und dort war ich trotz allem meiner Familie nah. Eine richtige Partnerschaft hat sich für mich nie ergeben. Meine Arbeitszeiten sind nicht gerade Partnerschaftstauglich und für die Suche zu bezahlen wollte ich nicht. Dass ich es mir nicht leisten konnte, kam noch hinzu.


    Aber mein Leben war deshalb nicht langweilig, trist oder einsam. Es war so wie ich es kannte und in meinem Rahmen mit meinen Möglichkeiten war ich glücklich. Die Arbeit machte mir Freude und der Umgang mit den Kunden. Das war meine Welt, es war alles in bester Ordnung.


    Bis zu dem Tag wo ich Frederic kennenlernte.


    Ab dem Tag war alles anders. Fred stellte meine Welt auf den Kopf und mit Erstaunen stellte ich, fest dass sie von der Seite aus gut aussah. Ich war schon lange kein junger Mann mehr, er war 20 Jahre und ich war bereits ein alter Mann. Das er um mich warb ist 7 Jahre her, Du kannst Dir ausrechnen wie alt ich damals war, 81 Jahre.


    Und so hatte ich das erste Mal im Leben mit 81 Jahren einen Partner.


    Unsere erste Zeit war glücklich, aber er je näher wir uns kamen, je komplizierter wurde er. Waren wir zusammen, dann waren wir uns sehr nah. Im alltäglichen Leben kamen wir wunderbar aus, ihn störte nicht mal wie früh ich aufstand.


    Er sprach gerne von seinem Beruf und er sprach zu mir, als redete er mit einem Kollegen. Und damit begannen die Schwierigkeiten, denn verstand ich nicht wovon Fred überhaupt sprach, nahm er mir das sehr übel. Keine Ahnung was Fred erwartet hat, aber ich konnte ja nicht nebenbei seinen Beruf lernen um zu verstehen wovon er sprach. Einiges natürlich schon, aber allein schon Windrichtungen scheint es tausende zu geben und Windseiten oder sowas. Ich habe auch nie erwartet oder gar verlangt, dass er weiß was Brandteig ist oder einen herstellen kann.


    Das Thema ausgeklammert, war es eine sehr schöne aber auch schwierige Zeit.


    Normalerweise schloss ich abends den Laden, ging in die kleine Taverne gegenüber, aß etwas und ging dann nach Hause um noch ein Pfeifchen zu rauchen, noch etwas zu lesen und mich dann ins Bett zu verziehen, denn mein Tag beginnt früh.


    In meiner Beziehung lernte ich Sorgen kennen, die ich bis dato nicht kannte und die Nächte wurden lang und einsam.


    War Frederic auf See, dann habe ich mich gefragt, wie es ihm geht, was er wohl gerade macht, welche Aufgabe er zu erledigen hat und ob er möglicherweise auch an mich denkt.


    Der Nacht maß ich nie etwas Negatives bei, aber wenn Du jemanden vermisst hat die Nacht auf einmal eine Dunkelheit, die sie vorher für Dich nie gehabt hat.


    Und so wartete ich jeden Tag seiner Abwesenheit auf seine Rückkehr. Das Wiedersehen war jedes Mal aufs neue wundervoll. Aber war er an Land, kam er nicht jedes Mal zu mir zurück. Das habe ich später erfahren und es war wie ein Schlag ins Gesicht. Hatte ich ihn gekränkt, was falsch gemacht oder wieso kam er nicht wenigstens einmal kurz vorbei?


    Bei seinen Besuchen sagte er nichts davon und ich sprach ihn nicht an, aus Angst die kurze Zeit die wir hatten mit einem Streit zu vergiften. Genau ein Jahr nachdem wir zusammenkamen trennte er sich von mir.


    Das was mir blieb, war ein kaltes Bett und die Erkenntnis, dass die Nacht noch heute wesentlich dunkler für mich ist, als sie früher war. Pass auf Dich auf Rene", sagte Iven. Der alte Mann stand auf, drückte Renes Schulter und verließ die Taverne, nicht ohne vorher ihr Bier zu bezahlen.