Kapitel 04 - Tödliche Taverne

  • Die Ereignisse spielen zeitlich parallel zu Blutrote See - Kapitel 30 - Zwangskuscheln


    Tödliche Taverne


    Archibald von Dornburg
    Nacht. So schwarz wie einst das Haar, des Mannes der sich hier gerade eingefunden hatte. Erneut hatte die Kälte noch einmal zugeschlagen, die eisigen Finger nach dem Land in dem er lebte ausgestreckt und sie mit einem weißen, klirrenden Hauch überzogen. Auch wenn ihm die Wärme persönlich nichts mehr bedeutete, als Untoter hatte er keine Körpertemperatur. Und je kälter es wurde, je kälter wurde auch er. Damit es sich nicht in nächster Zeit um Grabeskälte handelte, hatte sich Archibald in der Taverne eingefunden. Er hatte sich ein Heißgetränk bestellt, dass er zwischen seinen langen, klauenbewehrten Fingern drehte. Zudem hatte es sich der Vampir vor dem Kamin gemütlich gemacht. Arch beobachtete die Leute, trennte gedanklich Spreu vom Weizen, Jäger von Beute und von Statisten. Er nippte an dem Tee und nahm einen winzigen Schluck. Hier gab es leider nichts zu essen, dafür war es zu spät. Die meisten Kinder schliefen schon fest eingemummelt in ihren Decken und auf etwas anderes hatte er im Moment keinen Appetit. Er gähnte hinter vorgehaltener Hand, um seine Zähne zu verbergen. Sein Blick streifte über die Gäste.


    Timothée Mauchelin
    An einem der Tische, den Rücken der Wand zugekehrt, doch nicht in einer Ecke verborgen, saß Timothèe. Die 48 Sommer und Winter hatten seiner Erscheinung wenig anhaben können. Sein Antlitz war nahezu faltenfrei, das Haar, wenngleich angegraut, noch voll. Der gut gefütterte Wintermantel, dessen Kragen mit braunem Pelz besetzt war, hing zusammengefaltet über der Stuhllehne, den weichen schwarzen Stoffhut hatte er auf dem Haupte belassen. So saß er da und rauchte eine mit mildem Kraut gestopfte Pfeife, während er scheinbar las und die meisten Blicke ohne innezuhalten über ihn hinwegstreiften. Es gab nichts an ihm, dass eines zweiten Blickes würdig gewesen wäre. So kam er in den Luxus, alles zu sehen, sich nicht verstecken zu müssen und doch selbst kaum wahrgenommen zu werden. Kaum jemand würde sich an den stillen Gast erinnern. Gelegentlich glitzerten seine Augen im Schein des Kamins auf, wenn sein Blick sich hob, um alsdann weiter seiner Lektüre zu folgen. Doch nun hielt er inne. Den Mann im schwarzen Ledermantel, ganz offensichtlich naridischer Herkunft, der sich am Feuer wärmte, kannte Timothèe. Und es erschien ihm als ein Glückstreffer, ihn hier anzutreffen. Er löschte die Pfeife, rollte seine Zeitung ein, erhob sich, nahm seinen Mantel, um ihn alsdann über einen der freien Stühle neben dem Naridier zu hängen, bevor er sich selbst niederließ. »Ist es der Zufall oder dein Wille, dass wir uns heute hier treffen?«, erkundigte er sich in der Landessprache des Naridiers. Es konnte nicht schaden, wenn man sie nicht verstand. Sein Rakshanisch war frei von jedem Fehler und Akzent, als sei er selbst in jenem Land geboren.


    Archibald von Dornburg
    Archibald schenkte dem Mann ein kaum merkliches Schmunzeln. Er wusste warum der Bursche rakshanisch sprach und obwohl er darum wusste, verfehlte es seine Wirkung nicht. Er fühlte sich etwas heimischer an diesem vom Ältesten verlassenen Ort. Archibald machte eine einladende Handgeste. »Vielleicht ist es der Wille des Ältesten? Ich bin hier eingekehrt um mich zu wärmen. Wie steht es mir Euch? Hier auf der Suche nach etwas Besonderem? Die Zeit ist zuweit vorangeschritten für einen Happen«, erklärte Archibald und schaute Timo unverwandt an.


    Timothée Mauchelin
    »In dieser Taverne wird zu keiner Tages- oder Nachtzeit das seviert, was unsereins als gute Kost bezeichnen würde. Es lohnt auch nicht, es mit rollendem Taler zu versuchen, das Angebot ist einseitig. Wie lange ist die letzte Mahlzeit her?«, erkundigte Timothèe sich.


    Archibald von Dornburg
    Archibald nickte zustimmend. »Lange, viel zu lange. Ein Jahr mindestens, wenn ich mich nicht irre. Viel zu tun, keine Zeit ordentlich zu essen und die Gesellschaft war auch nicht die Beste, wo das Essen überhaupt möglich gewesen wäre. Nun ist es möglich, aber keine Gelegenheit vorhanden. Und selbst?«, fragte Arch neugierig.


    Timothée Mauchelin
    »Zwei Monate«, antwortete Timothèe und schmunzelte kaum merklich. »Aber es ist schwierig geworden, an gute Mahlzeiten zu kommen, meist bleibt es bei Fastenspeise. Der Lieferant in Mancini ist leider nicht mehr im Geschäft. Die große Dame wird bemerkt haben, dass die souvagnischen Delikatessen längst nicht mehr regelmäßig geliefert werden und der Genuss hier vor Ort ist kaum weniger betroffen.«


    Archibald von Dornburg
    »Hier ist es generell sehr schwer an Nahrung zu kommen, aber unmöglich ist es nicht. Welchem Zirkel gehörst Du an? Die Dame wird sich vermutlich an noch ganz andere Dinge gewöhnen müssen, als an eine Nulldiät. Der Krieg hat viel durcheinander geworfen, aber in Notzeiten lebt unsereins wie die Made im Speck, nur war mir auch dort die Jagd nicht vergönnt. Wie sieht es mit Dir aus? Jagdglück gehabt, als der Krieg vor der Tür tobte? Zwei Monate ist überschaubar, auch wenn ich sonst darüber gelacht hätte. Heute fühle ich mich, als könnte ich mich nicht einmal an den Geschmack erinnern«, sinnierte Archibald.


    Timothée Mauchelin
    »Das fragst du mich?«, fragte er, nun deutlicher schmunzelnd. »Mein Lieber, ich sitze in der Logistik eures almanischen Hauptlieferanten. Wie groß ist dein Hunger, wie voll dein Geldbeutel? Vielleicht lässt sich etwas arrangieren. Die Preise sind allerdings gestiegen. Die Mauer ist zu, der Krieg beendet, die Hohe Mark unter souvagnischer Schirmherrschaft und der Duca von Ledwick zurückgekehrt. Das ist für uns nicht optimal. Krieg macht es uns einfach, die Kehrseite solch schwerer Zeiten ist jedoch die mangelnde Qualität der Ware. Nicht gewährleistete Hygiene, Krankheiten. Dergleichen schmälert den Genuss. Eine gute Welle gab es zur Zeit, bevor die Südmauer geschlossen wurde. Flüchtlinge aus der Hohen Mark, die an der Grenze abgewiesen wurden, Wirren des Krieges, zerrissene Familien. Tragisch. Doch gut für unser Geschäft. Momentan beziehen wir unsere Ware daher vor allem aus Ehveros.«


    Archibald von Dornburg
    »Natürlich frage ich Dich, wen sollte ich denn sonst fragen? Bei Wildfängen muss man leider auch immer damit rechnen sich selbst etwas einzufangen, so bedauerlich das klingt. Aber für mich sind diese Gefahren bedeutungslos. Was kostet ein Vierjähriger, gesund, bester Ernährungszustand? Woher er kommt ist mir gleich, Ehveros oder Naridien, ich hatte nicht vor mich mit ihm zu unterhalten«, grinste Archibald sein Gegenüber an, so dass er die Zähne sah. Arch nippte an dem Tee und fand auch der zweite Schluck schmeckte so widerlich wie der erste. Er war gespannt was der alte Lagermeister auf Lager hatte.


    Timothée Mauchelin
    »Ein vierjähriger Wein? Lass uns ein Stück gehen oder ein Zimmer nehmen, dann sprechen wir geschäftlich.« Er erhob sich und ging zum Tresen, um für Tee und Pfeifenkraut zu bezahlen. Er wartete auf den Mann, der offenbar ein Vampir geworden war, um zu hören, ob er noch ein Zimmer bestellen sollte. Es mutete zwar immer merkwürdig an, sich ein gemeinsames Zimmer zu nehmen, doch in so einem Fall gab es gewichtigere Argumente, die dafür sprachen, als sich um die Blicke der Anwesenden zu scheren.


    Archibald von Dornburg
    Archibald gesellte sich zu seinem Gastgeber an den Thresen. »Ein Doppelzimmer kommt noch dazu. Es ist zu kalt um draußen in aller Ruhe zu sprechen. Soviel Ruhe wünscht weder Du noch ich«, lächelte Arch liebenswürdig. »Sei vorsichtig, im Wein liegt Wahrheit«, erklärte er mit einem Zwinkern.


    Timothée Mauchelin
    »Wohl wahr. Ein guter Grund, das rechte Maß zu kennen«, antwortete Timothèe ebenso mit einem Zwinkern und ließ sich den Schlüssel aushändigen. Er kontrollierte noch einmal, ob er nichts im Schankraum hatte liegen lassen, dann führte er Archibald die Treppe hinauf. Nach kurzem Suchen hatte er das Zimmer gefunden. Es war hochwertiger eingerichtet als in den üblichen Spelunken, diese Taverne bediente Gäste mit einem üppigeren Geldbeutel, wohlhabende Freie oder der niedere Adel waren die häufigsten Gäste. Timothèe kontrollierte mit einem routinierten Rundumblick die Positionierung und das Material aller Möbel, sah unter dem Bett und hinter den Vorhängen nach, klopfte die Wände ab, um ihre Dicke und Schalldichte zu ermitteln und schloss dann das Fenster und die Tür ab. Der kleine Kachelofen war beheizt. Neben einem Doppelbett gab es hier einen kleinen runden Tisch mit zwei Korbstühlen, über die ein Fell gehängt war, so dass sie zu gemütlichen Sesseln wurden. In einem davon ließ er sich nun nieder. »Wir können hier offen sprechen. Die Preise in der gewünschten Altersgruppe liegen momentan ab 2300 Taler aufwärts für lebende Ware. Beschreibe mir deinen Geschmack und dann werde ich sehen, was ich für dich tun kann. Wenn du die Ware persönlich auswählen möchtest, kostet sie wegen des Mehraufwandes das Doppelte, ansonsten bringe ich dir etwas, das deinem Geschmack meiner Einschätzung nach am ehesten entspricht. Für dich gibt es also nur noch Flüssignahrung? Archibald von Dornburg, wenn ich mich recht erinnere.«


    Archibald von Dornburg
    Archibald folgte Timothee in die Stube, zwei Raubtiere die unbekanntes Terrain absicherten. Timo machte es sich in einem der Stühle gemütlich, Archibald wärmte sich kurz am Ofen, ehe er gleichzog und sich ebenfalls in einen der Stühle hinabsinken ließ. »Du erinnerst Dich richtig, wie war Dein Name?«, fragte Archibald. Er wollte wissen wie sein Gegenüber hieß, er wollte allerdings auch sehen, wie dieser auf so eine Frage reagierte. »Nein, ich wünsche die Beute lebend, ich werde ihn erst zum Schluss austrinken. 2300 Taler ist viel, aber zieht man sämtliche Eventualitäten ab, kann man über den Preis nicht meckern. Ich mag es wenn sie leise, still mehr introvertiert sind. Ein Junge bevorzugt, er sollte niedlich aussehen und er sollte kein kleiner Haudegen sein, sondern ehr ängstlich. Die Haarfarbe spielt keine Rolle, seine Hautfarbe schon. Ich bevorzuge weißes Fleisch«, erklärte Arch grinsend.


    Timothée Mauchelin
    »Als Onkel Timmy bin ich im Zirkel bekannt. Den Namen dürftest du schon gehört haben. Da wir einander aber schon einige Jahre kennen und wir uns nun einmal in meinem Heimatland begegnet sind, darfst du gern erfahren, dass ich mit bürgerlichem Namen Timothèe Mauchelin heiße. Die Naridier haben den Onkel Timmy daraus gemacht und so blieb es dabei. Der Preis bezieht sich auf Ware, die zum endgültigen Verbrauch gedacht ist. Die Mietpreise liegen darunter. Wenn du knapp bei Kasse bist, wäre das sonst auch eine Option. Du benötigst die Ware zeitnah?«


    Archibald von Dornburg
    Archibald kramte in seinen Gedanken und erinnerte sich dunkel an einen Mann im Zirkel mit diesem Namen. Er war meist unterwegs, verbrachte Tage, Wochen, Monate woanders ohne auch nur einen Fuß in die heiligen Hallen des Zirkels zu setzen. Und wenn er zurück in den Schoss der Menschenfresserbande kehrte, dann nicht mit leeren Händen. Onkel Timmy klang fast niedlich, aber viele Raubtiere bekamen regelrecht possierliche Namen. Seiner war weniger kuschelig, schmeichelte aber seiner wahren Natur. »Mieten?«, lachte Archibald leise. Eine unheimliche, drohende Lache. Aber sie galt nicht dem anderen Beißer, sondern dem Mietobjekt. »Ich kann ihn nicht mieten, da ich ihn nicht zurückgeben kann. Ich werde eine Zeitlang mit ihm spielen und dann werde ich eine Saftparty mit ihm veranstalten. Er darf mir Blut spenden. Von daher kommt mieten leider nicht in Betracht. 2300 Taler könnte ich auftreiben, das Geld ist nicht das Problem Onkel Timmy, das Problem liegt ist ich habe es nicht vor Ort. Es befindet sich in Naridien. Bezahlen werde ich, Du müsstest mir nur etwas Aufschub geben, mehr nicht. Wärst Du damit einverstanden?«, hakte Archibald nach und spürte wie der Hunger, wie die Bestie in ihm erwachte.


    Timothée Mauchelin
    Timothèe sah den Hunger, der den Vampir sichtlich plagte. »Normalerweise schreiben wir nicht an. Aber ich kenne deinen Hunger. Ich verstehe sehr gut, wie du dich fühlst. Ich mache daher eine Ausnahme für dich. Das bleibt aber unter uns, sonst gibt das Ärger für mich. Unterzeichne mir eine Rechnung und dann arrangiere ich die Übergabe der Ware.« Er holte eine kleine Mappe von der Größe eines Notizbuches hervor, in der vorgefertigte Formulare zu finden waren. Sie trugen die Adresse eines Lebensmittelhändlers. Timothèe trug etwas ein. »Ich übersetze, hier steht der Kauf eines vierjährigen Weins und 15 Kilo exotisches Fleisch, was den hohen Preis rechtfertigen und den Verkaufsinhalt codieren wird. Zeit und Ort wären noch festzulegen. Wie lange bist du in Beaufort?«


    Archibald von Dornburg
    Archibald faltete seine Finger zusammen und lächelte versonnen. »Das ist großzügig von Dir, ich werde das im Hinterkopf behalten. Bis auf Weiteres, vermutlich noch eine ganze Weile. Von dem exotischen Fleisch kann mein Kleiner dann ebenfalls essen, dass wird interessant«, freute sich Archibald und unterschrieb. »Wohin kann das Fleisch geliefert werden? Überall hin? Ich bevorzuge keine festen Standorte, wo wir dann selbst im Topf landen könnten«, warnte er gut gelaunt, während er sich vorstellte wie er gemeinsam mit Nathan aß. Er trank das Blut, während Nathan lernte vernünftig wie ein Erwachsener zu essen.


    Timothée Mauchelin
    »Wir liefern von diesem Standort aus nur in Beaufort und Umgebung. Ich könnte auch eine Lieferung nach außerhalb veranlassen, das dauert aber und erzeugt entsprechend des Arbeitsaufwandes auch erhebliche Mehrkosten. Ist aber nicht unmöglich. Wohin wäre es denn recht? Dein Kleiner ist dein Sklave?«, erkundigte Timothèe sich interessiert.


    Archibald von Dornburg
    »Nein mein Partner und Schüler, er ist unantastbar. Das gleich vorneweg damit es nicht zu unschönen Missverständnissen kommt. Er ist jung aber nicht mehr so jung, was den Körper anbelangt. Allerdings ist er ein Kind geblieben, eine seltene und liebenswerte Mischung. Die Lieferung nach Beaufort ist mir Recht, nur möchte ich nicht dass man uns auflauert. Wir müssen also planen, wo es für uns beide am angenehmsten ist. Hatten die Duponts nicht hier in der Nähe eine schöne verfallene Ruine?«, hakte Arch nach.


    Timothée Mauchelin
    »Nähe, das kommt darauf an, wie man Nähe definiert.« Timothèe runzelte die Stirn und betrachtete nachdenklich die Unterschrift. Er zögerte lange. »Ich habe ein zu weiches Herz«, sagte er schließlich. »Lieferung in die Ruine der Gewitterfeste, zuzüglich 15% Aufpreis. Aber keinen Taler weniger und keine weiteren Sonderwünsche. Datum und Uhrzeit?«


    Archibald von Dornburg
    Archibald schmunzelte. »Ich werde Dein weiches Herz stets in guter Erinnerung behalten. Nun wann kannst Du liefern? Dann bin ich da oder besser gesagt, dann sind wir da und empfangen das Festmahl mit freudiger Erwartung. Was kostet bei Euch ein Spezialauftrag in Souvagne, wenn man eine ganz bestimmte Person haben möchte?«, hakte er nach.


    Timothée Mauchelin
    »Sagen wir in zwei Tagen. Am 2. des zweiten Mondes findet die Hochzeit des Duca di Ledvicco mit einem Prince de Souvagne statt. Auch hier wird gefeiert werden. In der Nacht zum 3. sollten die Büttel daher alle Hände voll mit den Betrunkenen zu tun haben, was uns Ruhe verschafft. Was Spezialaufträge kosten, hängt vom Schwierigkeitsgrad ab, da müsste ich nachfragen, das ist nicht mein Gebiet. Um wen geht es denn?«


    Archibald von Dornburg
    »Um die Tochter eines Marquis, sie ist ein Baby. Aber noch benötige ich sie nicht, vielleicht später. Was würde mich so ein Auftrag ungefähr kosten?«, fragte Archibald. »Wir werden dort sein, die Hochzeit wird sicher schön. Tja Linhard wird auch anwesend sein, der kleine Hohenfelde. Soviel Hoffnung in den Jungen gesetzt er möge ein Dunwin werden und was wurde aus ihm? Er rennt ständig mit Prince Ciel herum und versucht die Welt zu retten«, erklärte Arch nachdenklich.


    Timothée Mauchelin
    Timothèe notierte Datum und Ort der Anlieferung auf die Rechnung, ehe er die Tinte vorsichtig trocknete und das Papier wieder in die kleine Mappe legte, um sie in seine Manteltasche gleiten zu lassen. »Die Tochter eines Marquis, das ist natürlich eine große Nummer. Das wird viel Vorbereitungszeit benötigen. Ich bin auch nicht sicher, ob solch ein Auftrag angenommen werden wird. Wenn ja, dann wird der Kostenpunkt mindestens sechsstellig sein. Ob es das wert ist, musst du beurteilen. Mit einem gewöhnlichen Säugling kommst du wesentlich preiswerter. Warum soll es dieses Kind sein?«


    Archibald von Dornburg
    »Das ist eine private Angelegenheit, der Vater und ich haben einen kleinen Zwist und wenn ich seine Tochter in Händen hätte, wäre er sicher etwas zugänglicher. Aber wenn es nicht möglich ist, werde ich mir eine kleine Überraschung ausdenken müssen. Sechsstellig ist mir zu teuer, aber ich danke für das Angebot. Was kostet ein normaler Säugling? Ich hatte schon lange kein weiches, zartes Fleisch«, grübelte Arch.


    Timothée Mauchelin
    »Einen genauen Preis kann ich für Auftragsarbeiten nicht nennen, es ist eine Schätzung, aber ich denke, sie stimmt ungefähr. Einen Säugling bekommst du schon für 1200 Taler. Es gibt genügend unerwünschte Schwangerschaften. Und welche davon betroffene Mutter ist nicht froh, das überflüssige Kind schnell und diskret loszuwerden und es dabei noch in guten Händen zu wissen?«


    Archibald von Dornburg
    Archibald lachte bei dem wundervollen Wortspiel. »Oh meine Hände sind sehr gepflegt, schau sie Dir an. Ich denke eine Frau die ungewollt schwanger wird, hat hier weitaus mehr Probleme als in Naridien. Sie muss die Schwangerschaft verstecken und hoffen dass die Geburt ebenso geheim bleibt. Sonst ist sie nicht mehr zu verheiraten oder? Das heißt entweder Tempel oder Orden. Es sei denn sie bleibt für immer Zuhause bei Vater oder Bruder. Und jene die selbst nichts haben erhoffen sich doch durch eine Heirat an etwas zu kommen, zumindest an ein gutes geregeltes Leben. Und wir helfen dabei«, antwortete Arch freundlich.


    Timothée Mauchelin
    Timothèes zurückhaltendes Schmunzeln zog sich zu einem Lächeln in die Breite. »Tempel sind ein gutes Stichwort. Besonders, wenn es zum Schutz des werdenden Lebens noch eine Prämie für jene Mütter gibt, die das Angebot zur anonymen Geburt annehmen. Hm, da bekommt man doch gleich Appetit. Ich sollte mir auch mal wieder eine vernünftige Mahlzeit gönnen. Wenn ich den Knaben für dich bestelle, werde ich mir auch eine Lieferung fertig machen lassen.«


    Archibald von Dornburg
    »Oh und was genau begehrt Dein Herz oder besser gesagt Dein Magen? Worauf hast Du Appetit oder Lust? Lass mich an Deinem Hunger teilhaben. Bei so einer Überlegung ist ein Posten in einem Orden oder Tempel doch gar nicht so schlecht, Bruder Archibald klingt nur etwas gewöhnungsbedürftig«, lachte er gut gelaunt. »Bruder Nathan allerdings ebenso wie Bruder Timo«, gab er zu bedenken. »Als wir mit dem Schiff unterwegs waren, war eine kleine Köstlichkeit auf unserem Begleitschiff. Ich habe ihn zwar selten gesehen, aber er war da. Bleich, blass, rotes Haar und grüne Augen. Dürre aber trotzdem Fleisch auf den Knochen. Ich vermute er hat Sommersprossen. Keine Ahnung wo er abgeblieben ist, vermutlich bei seinem Kapitän. Ich hatte vor ihn zu jagen, aber da war er schon verschwunden, der kleine Happen. Nun ich musste bei meinen Leuten bleiben. Nur sind die nicht bei mir geblieben. Treue ist heute echt selten zu finden, lass Dir das gesagt sein«.


    Timothée Mauchelin
    »Oh, mein Magen begehrt nichts. Das überlasse ich dem Zirkel. Die Formulierung ist reine Gewohnheitssache. Ich genieße eher jene Freuden, die sich bieten, so lange sie noch leben. Neun bis zehneinhalb Jahre ist ein perfektes Alter. Sie beginnen, sich für erwachsene Themen zu interessieren, sind dabei aber noch absolut kindlich in Körper und Geist. Dennoch ist das Interesse da, auch wenn manch Besserwisser es leugnet, da es nicht in seine engstirnigen Vorstellungen passt. Sie sind in diesem Alter groß genug, als dass man mit ihnen Freude haben kann. Das Geschrei ist ein ernstes Problem bei sehr kleinen Kindern«, gab er zu bedenken. »Manch einen stört es nicht oder entspricht sogar seinen Wünschen. Das ist die Sache eines jeden selbst und darf nicht verurteilt werden. Treue fand ich bislang nur in unseren Kreisen, Archibald. Da wir wissen, was uns allen blüht, wenn einer von uns ergriffen und zum Reden gebracht wird. Das Schicksal der gejagten Jäger schweißt uns zusammen.«


    Archibald von Dornburg
    »Richtig erzogen wissen sie wann sie zu schweigen haben oder was mit ihnen ansonsten geschieht. Aber dafür muss man sich früh ihrer annehmen und es ist eine permanente Aufgabe der Erziehung oder besser gesagt, des Drills. Denn nichts anderes ist es, als harte Arbeit für harten Spaß. Es sei denn man kauft sich einen abgerichteten Sklaven, aber das hat etwas widernatürliches, er ist nicht auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten. Da liegt auch der Hase im Pfeffer begraben was den Marquis angeht, er selbst gehörte ursprünglich mir und er wird mir wieder gehören. Nicht dass ich an seinem verrotteten Kadaver noch irgendwie ein sexuelles Interesse hätte. Er ist alt, verbraucht, gebrochen, aber er ist es nicht ganz. Er soll mit dem Wissen gehen, dass er immer mein Eigentum war. Und dass gleich wo er ist, wer er ist, was er ist, ich stets Zugriff auf ihn habe. Es gibt nichts und niemanden der ihn beschützen kann was mich angeht, außer mir selbst. Wenn er frei herumläuft, dann weil ich es erlaubte und nicht weil er es sich erkämpfte. Ich war schon bei ihm Zuhause in seinem alten Haus. Ich habe ihnen bewiesen, dass ich hinein und hinausgelange und niemand hat mich daran hindern können. Weder Mann noch Maus und ich möchte dass er das nie vergisst. Das ich sein letzter Gedanke auf dieser Welt bin, das ist wahre Größe und Unsterblichkeit«, säuselte Archi.


    Timothée Mauchelin
    »Dafür benötigt man viel Zeit, einen geeigneten Ort und Geduld. Die Rahmenbedingungen müssen stimmen. Hier inmitten von Beaufort ist es schwer. Es sei denn, man weiß sich anders zu helfen. Ich hatte bis zu seinem bedauerlichen Unfalltod einen Adoptivsohn, den ich an gute Freunde verlieh. Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft, so heißt es doch. Umgekehrt geht mir nun heute die Tochter eines Freundes manchmal zur Hand.« Er lächelte anzüglich. »Ich wünsche dir, dass du deinen gealterten Sklaven noch einmal zur Räson bringen kannst. Leider wird harte Arbeit oft zu wenig wertgeschätzt.« Er erhob sich und zog seinen Mantel über, nahm seine aufgerollte Zeitung zur Hand und klopfte auf seine Manteltasche mit dem Buch. »Ich muss morgen in aller Frühe wieder raus. Ob wir uns bei der Warenübergabe noch einmal sehen, kann ich dir nicht sagen.« Er reichte Archibald ein Pappkärtchen mit einer Adresse. »Ein Briefkasten ohne dazugehörige Wohnung. Er wird von Dienstburschen gelehrt, die keinen Kontakt zum Ring oder zum Zirkel haben, so dass der Briefverkehr relativ sicher ist, auch wenn man sie abfängt. Sie wissen nichts. Finden wirst du mich bei dieser Adresse also nicht, aber postalisch erreichen. Auch jeden anderen Feinschmecker von Beaufort kannst du über diese Anschrift erreichen, die Verteilung erfolgt zentral.«


    Archibald von Dornburg
    »Der Zirkel dankt und ich ebenso. Nun ich hatte noch nicht das Bedürfnis Dich zu suchen und sind wir ehrlich, wenn Du lieferst wunderbar. Falls nicht, hatten wir beide ein nettes, aufschlussreiches Gespräch aber keinen Verlust. Du weder ein zartes Steak noch ich Taler. Sollte es zu unserem Deal kommen, haben wir beide etwas davon, von daher... man sieht sich... in alter Frische«, grinste Archibald, so dass man seine Reißzähne sah.


    Timothée Mauchelin
    Timothèe schmunzelte zurück, hielt Archibald die Tür auf und ließ ihm den Vortritt. »Mich sucht man in der Regel auch nur, wenn man mit mir ins Geschäft kommen möchte. Privat bin ich ein furchtbarer Langweiler.«


    Archibald von Dornburg
    »Seltsam, genau dass sagt man mir auch nach...«, antwortete Archi und durchschritt die Tür. »Vielen Dank, bis zum zweiten Mond. Ich denke wir sehen uns noch öfter... garantiert«, warf Arch ein. Wieso oder weshalb ließ er offen, aber keine Drohung schwang bei diesem Versprechen mit, es klang fast freundlich. Der Vampir verließ die Taverne, trat hinaus in die eiskalte Nacht und sprintete Richtung Heimat ergo Nathan.


    Timothée Mauchelin
    »Auf Wiedersehen«, antwortete Timothèe freundlich. Er sah dem Vampir nach und wartete, bis er verschwunden war. Dann erst schlug er eine Richtung ein. Über Umwege schlenderte er nach Hause und unternahm noch einen Spaziergang durch die belebten Straßen, um unter freiem Himmel noch ein wenig nachzudenken. Es gab vieles zu organisieren innerhalb der nächsten zwei Tage, vieles zu ordnen. Vor allem seine Gedanken. Nach anderthalb Stunden verschwand auch Timothèe vom Antlitz der nächtlichen Stadt.

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    Timothée Mauchelin
    Timothèe gehörte zu jenen, die geschäftlich auf der Hochzeitsfeier in Ledwick waren. Im Gegensatz zu den Pretorianos und Dienern war es ihm jedoch vergönnt, den Anschein privater Vergnüglichkeit waren zu können, so dass er sich am schwimmenden Buffet bedient, mit dem einen oder anderen Gast Belanglosigkeiten ausgetauscht und zwei seichte Flirts geführt hatte. All dies diente neben dem üblichen Sondieren der Stimmung einem Ziel, das nichts mit Vergnüglichkeiten zu tun hatte: Die Zeit zu überbrücken, bis Duc Maximilien zu sprechen war. Nach Abschluss der Zeremonie ließ Timothèe dem Duc Zeit, die üblichen Höflichkeitsgespräche zu führen. Als Maximilien begann, sich privaten Konversationen zuzuwenden, trat Timothèe in sein Blickfeld, bevor der Duc es sich allzu gemütlich machte. Zwischen den farbenfrohen, prächtigen Gewändern der Anwesenden ging Timothèe unter, den auch er war heute zur Abwechslung in strahlendes Dunkelgrün gekleidet. In einem Pferch voller Pfaue verbarg man sich am besten, indem man selbst wie ein Pfau aussah. Trotz allem war er ein biederer, altmodisch wirkender Pfau, dessen Gewand der Mode von vor fünf Jahren entsprach. Timothèe tat etwas, das für jeden anderen eine Unerhörtheit gewesen wäre - er sah dem Duc für eine Sekunde direkt in die Augen. Es war das Signal, dass es dringenden Gesprächsbedarf gab.


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    Maximilien hatte hier und dort mit den geladenen Adligen gesprochen, hörte sich so manche brilliante wie auch Schnapsidee an, lachte mit einigen oder hörte auch sehr ernsten Themen zu. Auf der Feier war für die meisten Klärungen selbstverständlich kein Raum, aber nach den Feierlichkeiten schon und Max war niemand, der ein Hilfeersuchen vergaß. Er hatte sich gerade wieder zu seinen Frauen und seinem Leibdiener gesellt, als ihm jemand bewusst in die Augen schaute. Das wagten sich nur die wenigsten. Jede andere Person die weder zur Familie noch zum Freundeskreis gehörte beging damit einen äußerst heiklen Affront. Aber Maximilien wusste um jene Person und wie wichtig dieses Treffen sein musste. Er entschuldigte sich bei seinen Frauen und ging dem Mann gemächlichen Schrittes entgegen. Er beeilte sich nicht, er grüßte ihn auch nicht wie einen Freund, denn er wollte keine unnötige Aufmerksamkeit erregen. Er blieb einfach in der Nähe von Mauchelin stehen, nippte an seinem Glas und warf ihm einen Blick zu. "Ausgelassene Stimmung, eine wundervolle Feier, die Gäste bestens gelaunt, Ledwick benötigt mehr solche Ereignisse, meint Ihr nicht auch?", fragte der Duc fast im Plauderton, aber der Blick des Duc zeigte von Wissen und Verständnis. Er wartete darauf, dass Timo entweder das Gespräch eröffnete oder sich zurückziehen wollte, wo sie ungestört reden konnten. Manchmal hingegen war so ein Fest aber auch ein idealer Ort, kaum jemand konnte bei der Geräuschkulisse lauschen.


    Timothée Mauchelin
    »Ledwick steht eine Blüte bevor, wenn ich die Zeichen richtig deute, Majestät. Der Bruch des Kaisho-Abkommens war ein reinigendes Gewitter für uns alle. Unnötiges wurde ausgeschwemmt und der Nährboden für eine fruchtbare Zukunft gelegt. Doch jetzt, wo die Wogen sich glätten und die Trübung sich legt, zeigt sich nun, was am Grund verborgen lag in all der Zeit. So traf ich jemanden, dessen Anwesenheit in Souvagne für Euch von Interesse ist.« Er neigte den Kopf ein wenig, um anzuzeigen, dass er mit Maximilien unter vier Augen sprechen wollte.


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    Maximilien konnte den Worten von Mauchelin nur zustimmen. Was immer Kaisho gewesen war, ein Bündnis war es nicht. Oder vielleicht doch? Ein weiser Mann sagte einst, wenn sich zwei Parteien treffen um ein Bündnis auszuhandeln, sollte man sich stets fragen wer umgebracht werden soll. Nun auf wessen Gebeinen die anderen tanzen wollten, war klar. Allerdings wurden sie eines Besseren belehrt, denn auch dieser Spruch war uralt - Totgesagte leben länger. Sie mochten das Bündnis ausgenutzt haben, sie mochten durch Souvagne gezogen sein, jubelnd in den Krieg hinein, sich bereits als strahlende Helden fühlend. Der Rückweg der meisten sah völlig anders aus und endete am Nordwall. Souvagner waren vom Geiste her Adler, aber wenn man sie einmal betrog, hatten sie das Gedächtnis von Elefanten. Und sie vergaßen nie... was sich ein Duc nicht merken konnte, stand in den Chroniken, in denen die für die Regierenden auserwählt war. Wissen das nicht verloren gehen durfte. Andere würden behaupten niedergeschriebene Vorurteile - aber Maximilien wusste es besser. Ein Vor-Urteil war nichts weiter als ein Urteil dass sich jemand VOR einem selbst bildete. Man musste also nicht mehr selbst auf die Schnauze fallen und diese unliebsame Erfahrung machen. Dafür gab es die Familie, das Wissen, die Chroniken, die Stärke einer Familie beruhte nicht nur allein auf ihrer Anzahl, sondern war auch der Tiefe der Familienwurzeln geschuldet. Jeder wusste je tiefer die Wurzeln bei einem Baum reichten, so fester war sein Stand, je heftiger konnte er den Naturgewalten trotzen. Und zu diesen Wurzeln gehörte auch das, was man an Wissen angesammelt hatte. Heute mochte es für den Einzelnen bedeutungslos sein, aber in 200 Jahre konnte es vielleicht einem anderen Duc behilflich sein und ganz Souvagne retten. Maximilien schmunzelte Mauchelin freundlich an und gab den Weg vor. Der Duc schritt hinab bis weit unten an den Strand, dort ließ er sich auf einen angeschwemmten Baumstamm nieder und schaute seinen Begleiter erwartungsvoll an. "Nun hier sind wir ungestört, was habt Ihr in Erfahrung gebracht?", hakte Max nach.


    Timothée Mauchelin
    Timothèe zog ein Tuch aus seinem Mantel und breitete es mit vornehmer Geste auf der Stelle aus, wo er sich hinzusetzen gedachte. Mit feuchtem Sand am Hinterteil wollte er nicht herumlaufen - es würde dafür sorgen, dass ihm belustigte Blicke folgten. Der Baumstamm war gekrümmt, so dass sie einander schräg gegenüber saßen, als Timothèe platzgenommen hatte. »Archibald von Dornburgs Name steht auf der Fahndungsliste. Ich habe ein geschäftliches Treffen mit ihm arrangieren können. In der Nacht vom zweiten zum dritten dieses Mondes in der Ruine der Gewitterfeste. Also morgen Nacht, darum musste ich Euch heute hier aufsuchen. Mir bleibt nicht viel Zeit für Vorbereitungen. Soll ein Zugriff unternommen werden? Es ist allerdings fraglich, ob der Mann tatsächlich zum vereinbarten Treffen erscheint. Er ist misstrauisch und vorsichtig.«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    Max machte es sich gemütlich und dachte über Timothees Information nach. "Schon seltsam nicht wahr? Einerseits würden wir befehlen diese Kreatur festzusetzen, Ihr wisst was es für eine Wesenheit ist. Als Mensch möchten wir es nicht titulieren. Auf der anderen Seite fragen wir uns gerade, solltet Ihr nicht mit Archibald dergestalt warm werden, dass er Euch zu Derya seiner Tochter führt? Archibald hat bis dato nichts offiziell in Souvagne verbrochen. Dennoch sind seine Verbrechen schwer und widerwärtig genug, dass wir ihn aus dem Verkehr gezogen wissen wollen. Er war die Geißel der Hohenfeldes und solange er atmet, wird stets für Unschuldige eine Gefahr von ihm ausgehen. Allerdings hat seine Tochter Derya sehr viele Souvagner ermordet und vorher verstümmelt. Die Frau wurde bereits zum Tode verurteilt, konnte sich der Vollstreckung aber entziehen. Unsere Person geht Recht in der Annahme, dass der Retter ihr Vater Archibald war. Wer sollte sonst daran Interesse haben, so ein Weibsbild zu retten? Kein Mann dem sein Körper etwas bedeutet, würde sich nur in die Nähe dieses Männer mordenden Ungeheuers geben. Wir heben den Befehl nicht auf, wir ändern nur die Prioritäten. Macht ihn Euch vertraut und bringt uns seine Tochter. Sobald Derya in Gewahrsam ist, beschafft uns Archibald. Eine Familienzusammenführung der besonderen Art. Die Kreatur soll seine Brut fallen sehen, so wie er anderen die Kinder raubte. Mehr Gerechtigkeit können wir nicht üben, es sei denn wir würde ihn seine Tochter verspeisen lassen", sagte Maximilien freundlich.


    Timothée Mauchelin
    Timothèe nickte. »Wie es Euer Wunsch ist. So werde ich ihm morgen Nacht das Gewünschte liefern. Weiterhin erkundigte von Dornburg sich nach der Tochter des Marquis Davard von Hohenfelde. Er fragte nach dem Preis, den eine Entführung des Säuglings koste. Grund ist altes Besitzdenken. Ich nannte ihm eine utopische Summe.«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    Maximilien schaute Mauchelin ernst an. "Beschafft so rasch wie möglich die Tochter, ohne dass er misstrauisch wird. Sollte er erneut nach dem kleinen Mädchen fragen, wimmelt ihn ab bis ihr Derya in Händen haltet. Wir werden für die Sicherheit der kleinen Maquise sorgen. Ein so junges Leben und Schatten die ersten Schatten ziehen auf. Nun dann soll dem so sein. Archibald hat sehr obskure Gedanken bezüglich des Maquis von Hohenfelde, der Mann entkam ihm einst und Ihr wisst, wovon unsere Person spricht. Die Himmelsaugen werden zusätzlich ein Auge auf das Haus haben und wir denken, dass auch Ihr Vater um die Gefahr für die Kleine weiß. Wir werden ihn dennoch gesondert informieren. Wir werden dieser Kreatur diesen Zahn ziehen, das steht fest. Habt Ihr eine Idee oder einen Plan Euch in das Vertrauen zu bringen?", hakte Max nach.


    Timothée Mauchelin
    »Menschen mit strafbaren Neigungen bleiben so lange misstrauisch, bis sie sich vergewissert haben, dass ihr vermeintlicher Freund tatsächlich die selben kranken Neigungen hegt. Sie wollen sehen, dass man nicht nur redet, sondern vom selben Geist ist. Sobald sie glauben, eine ebenbürtige Waffe in der Hand zu haben, sollte man vorhaben, sie an die Büttel zu verraten, sinkt die Hemmschwelle, weitere Abgründe zu offenbaren, merklich. Es ist wie in anderen Kreisen, ein gemeinsames Festessen vermag Türen und Herzen zu öffnen. Sollte von Dornburg zum Treffen erscheinen, werde ich ihm zu seiner Bestellung ein Geschenk überreichen. Der Zirkel in Obenza steht nach wie vor unter Beobachtung und wie ich hörte, habt Ihr jenen Marquis von Hohenfelde und seine Fantomes darauf angesetzt. Er sollte Kontakt mit dem Lotos Arbogast aufnehmen, da dieser bereits sehr tief in den Zirkel vorgedrungen ist und mit hochsensiblen Interna dienlich sein kann.«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    "Wir verstehen, Ihr benötigt einen Nicht-Souvagner, als Hauptspeise. Immerhin wollt Ihr ja einen Menschenfresser zum Essen einladen, da könnt Ihr keine Schweinerippchen kredenzen. Wir werden die Fantome von dem Zirkel abziehen. Unser Sohn hat es gut gemeint, aber wir sind nach dem Gespräch mit Euch der Auffassung, dass der Maquis zu tief in der Materie steckt, allerdings als Opfer. Wir glauben nicht, dass er letztendlich einer Überzahl von solchen Personen seelisch standhalten kann. Gleich was er zur Zeit selbst von sich glauben mag. Das Ende bei einer Fehleinschätzung wäre fatal für ihn, wie für seine Familie und seine kleine Tochter. Ihr hingegen habt mehrfach bewiesen, dass Ihr Willens und auch in der Lage seid, einer Schlange den Kopf abzuschlagen. Wo Ihr ein Mungo werdet, wird der Maquis wohlmöglich der Hase. Fühlt Ihr Euch gewappnet für eine derartige Aufgabe? Der Zirkel dürfte Euch nicht als Fremden wahrnehmen, Eure Kontakte müssten hinlänglich bekannt sein, als einer der Ihren. Oder Archibald könnte Euch einschleusen, nachdem Ihr Euch als vertrauenswürdig erwiesen habt. Was wolltet Ihr ihm überreichen?", fragte der Duc.


    Timothée Mauchelin
    »Einen vierjährigen Knaben und einen Säugling als Bonus«, antwortete Timothèe ohne mit der Wimper zu zucken. »Im Zirkel kennt man mich als zuverlässigen Lieferanten lebender Ware. Ein grundlegendes Vertrauen sollte daher gegeben sein. Die Frage ist, wie tief ein Eintauchen nötig ist und was genau bezweckt werden soll. Ich fühle mich der Aufgabe gewachsen. Es gibt keinen menschlichen Abgrund, der mir fremd ist und keiner ist dazu geeignet, meine Entschlossenheit zu schmälern. Souvagnische Kinder, gleich welcher Herkunft, sind künftig Tabu, wenn ich das Euren Worten recht entnehme?«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    "Ja das sind sie. Gleich wer ihre Eltern waren, wir haben gesehen wohin Sippenhaft führen kann, wenn sie nicht angebracht ist. Wir verweisen auf die Agenten, hier war keine Sippenhaft und keine Haft angeraten. Verweisen wir auf die Duponts, nun da waren wir froh keinen dieser Personen mehr um uns zu haben, nach dieser Schmach. Aber auch jenen haben wir verziehen, für die Kinder. Sie litten als Unschuldige und das wollten wir nicht länger hinnehmen. Wie steht es mit Obenza oder Naridien generell?", fragte Max.


    Timothée Mauchelin
    »Ich werde die neuen Anweisungen im Orden weitergeben«, sprach Timothèe. »Keine Minderjährigen dürfen mehr als Köder verwendet werden. Das erschwert uns die Arbeit in entsprechenden Kreisen, wird sich aber bewerkstelligen lassen. Sollten die Statistiken zeigen, dass unsere Effektivität darunter spürbar leidet, soll ich erneut auf Euch zukommen oder bleibt es dabei? Für volljährige Souvagner steht die Möglichkeit aber künftig weiterhin offen? Was genau möchtet Ihr über Obenza und Naridien wissen?«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    "Haltet ein Ihr urteilt vorschnell, keine souvagnischen und keine ledwicker Kinder. Mit dem Rest dieser wundervollen Welt haben wir nichts zu tun. Jene Kinder könnt Ihr nutzen, vielleicht mag Euch die Beschaffung damit erschwert sein, aber Ihr handelt für uns und unser Volk. Dazu zählen auch die Kleinsten. Für andere Völker sprechen wir nicht, sie unterstehen nicht unserem Schutz. Handhabt es dort, wie Ihr zu handeln gedenkt um Euch die Arbeit so einfach wie möglich zu machen. Den Sachstand über Obenza und Naridien. Gibt es dort etwas zu berichten? Habt Ihr irgendwelche Informationen bezüglich Ehveros?", fragte Max neugierig.


    Timothée Mauchelin
    Timothèe neigte sein Haupt. »Wir werden unsere Methoden entsprechend anpassen. Was Naridien betrifft, so ist dies nicht mein Fachgebiet, Arbogast wird tiefergehende Informationen vorweisen können, sei es das Land selbst oder Obenza. Mir ist nichts Erwähnenswertes zu Ohren gekommen. Anders sieht es betreffend Ehveros aus. Es wurde ein außerehelicher Sohn von Großherzog Felipe identifiziert. Ihn zu benennen gestaltet sich jedoch als schwierig. Der abtrünnige Lotos, welcher diesen vermeintlichen Sohn identifiziert haben will, steht ebenso auf der Fahndungsliste. Er verlangt vollumfängliche Begnadigung und Rehabilitierung, ehe er den Namen nennt.«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    "So verlangt er das?", hakte Maximilien nach. Seine Gedanken konnte man seinem Gesicht nicht entnehmen. "Was genau hat sich dieser Lotos zu Schulden kommen lassen? Die müssen wir für eine mögliche Rehabilitierung wissen. Falls er nichts gravierendes verbrochen hat, werden wir möglicherweise seiner Bitte entsprechen. Andernfalls sehen wir uns gezwungen uns nicht erpressen zu lassen. Wir persönlich werden uns nicht dazu äußern, sondern einer der Euren. Sobald Ihr den Namen unter Vortäuschung falscher Tatsachen habt, darf er umziehen. Also was waren seine Verbrechen?", hakte der Duc nach.


    Timothée Mauchelin
    »Schwere Brandstiftung, Majestät, darunter mehrere Stadtbrände. Auch ist er verantwortlich für die Hungersnot von 197, da er seine Freude daran gefunden hat, Felder kurz vor der Ernte in Brand zu stecken. Es ist ein notorischer Feuerteufel. Was also darf ich ihm ausrichten lassen?«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    "Wieviele Souvagner kamen durch seine direkten Handlungen ums Leben? Könnt Ihr dies beziffern? Und ist es Euch möglich, den erlittenen Sachschaden zu beziffern? Bedauerlicherweise kann man ihn nicht auslesen lassen, nicht auf Himmelsaugenwege. Aber es gibt mehr Wege als ausschließlich die der Magie. Einerseits wäre es enorm wichtig, den Thronerben von Ehervos in Erfahrung zu bringen. Möglicherweise für die Person selbst und für den Fortbestand von Ehveros. Besteht Ehveros fort, so besteht auch Almanien als Region fort. Natürlich könnten wir sagen, was schert uns Ehveros? Dennoch sind es almanische Brüder und Schwestern. Möglich sind zwei Lösungen, wir verhelfen Felipe zu einem Erben, oder Tazio zu Ehveros. Davon ist die Entscheidung abhängig, ob wir uns auf einen Handel einlassen, oder ob wir den feuerliebenden Feuerteufel seinem Element überantworten auf dem Scheiterhaufen", sagte Max freundlich. "Schickt nach meinem Sohn Ciel. Wir würden auch nach Tazio schicken lassen, aber jener hat eine sehr wichtige Aufgabe... vor der Brust", schmunzelte der Duc. "Schickt nach Prince Ciel und kehrt schnellstmöglich mit ihm zurück. Eine außenstehende Meinung könnte nicht schaden, schickt ebenso nach unserem Bruder - Prince Davet. Wir möchten von beiden eine Sicht auf die Dinge hören", befahl Maximilien.


    Timothée Mauchelin
    »Genaue Zahlen kann ich aus dem Stegreif nicht nennen, aber ich könnte sie in Erfahrung bringen. Ich vermute, dass die Zahl der Todesopfer allein durch das Feuer im dreistelligen Bereich liegt. Wie viele Menschen aufgrund der Hungersnot umkamen, ist schwierig nachzuweisen, da sehr viele Faktoren ineinandergreifen.« Timothèe verabschiedete sich vorerst. Kurz darauf kehrte Timothèe mit den beiden Genannten im Schlepptau zurück.


    Ciel Felicien de Souvagne
    »Hier sind wir«, sprach Ciel mit einem unroyalen Grinsen und verdächtig geweiteten Pupillen.


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    Maximilien deutete beiden an sich zu setzen. "Mir wurden gerade wichtige Informationen zugetragen und ich würde gerne Eure Meinung dazu hören. Ein ehemaliges Mitglied eines Geheimordens steht nicht grundlos auf der Fahnungsliste. Aufgrund seiner Taten, hierzu zählen schwere Brandstiftung starben Souvagner und die Hungernot im Jahre 197 wurde ausgelöst. Genau jener abtrünnige Ordensbruder hat scheinbar in Erfahrung gebracht, dass ein Nachfahre, sprich ein möglicher Thronerbe von Felipe lebt. Allerdings ist er nur bereit das Wissen preiszugeben, wenn ich ihn dafür von jeglicher Schuld freispreche und rehabilitiere. Nun wir könnten uns fragen, was haben wir mit Ehveros zu tun? Es starben Souvagner durch Feuer, also soll diese Person ebenfalls auf dem Scheiterhaufen sterben. Dies wäre nur gerecht, all jenen guten, ehrlichen und ehrbaren Souvagnern gegenüber, die er so abscheulich verbrannte. Allerdings bedeutet der Thronerbe in Ehveros, dass Ehveros nicht regierungslos in einen möglichen Bürgerkrieg stürzt. Wir können also Felipe beistehen und so den Bereich der Almanen sichern. Oder wir können Tazio beistehen und Ehveros gemeinsam auslöschen. Bei letzterer Entscheidung wird der abtrünnige Bruder brennen. Bei der ersten darf er nicht brennen... nicht sofort. Was sagt Ihr?", fragte Max und schaute seinem Sohn genau in die Augen. Die Grübchen auf seiner Wange vertieften sich für einen Sekundenbruchteil.


    Davet la Caille
    Davet hörte Maximilien aufmerksam zu und strich sich über den Bart. "Es kommt darauf an, ob Du für uns das Beste rausschlagen willst, oder ob Du Felipe helfen möchtest. Die Frage wäre, was haben wir mit Felipe zu schaffen? Auf der anderen Seite ist die Frage, was nicht. Es war sein Fehler und damit sein Problem seine Tochter auf den Thron zu setzen. Sie hat versagt, sie hat ins Gras gebissen, lass den Khan kentern. Auf der anderen Seite wieso Ehveros und allen Menschen dort schaden? Stehst Du ihnen bei, wird Dir Felipe dankbar sein müssen und der neue Großherzog ebenso. So würde ich überlegen. Von was haben wir mehr?", hakte Davet nach.


    Ciel Felicien de Souvagne
    »Die Lösung liegt doch auf der Hand«, sprach Ciel sehr viel schneller als sonst. »Wir vergeben ihm und lassen uns erzählen, was er weiß. Danach brennt er.« Wie zur Unterstreichung seiner Meinung entfachte er sich eine Pfeife und begann zu rauchen. Dabei sah er sehr zufrieden aus.


    Davet la Caille
    "Noch besser, wir lassen ihm erzählen, dass ihm vergeben wurde. Wir selbst halten einfach den Schnabel. Solange er nichts Schriftliches in der Hand hat, hat er ein Problem. Und selbst wenn er es auf güldenen Letter von Dir persönlich überreicht bekommt Max, Du kannst Dich binnen Sekunden umentscheiden. Die Begnadigung galt dann für 5 Minuten oder was. Danach ab ins Feuer mit ihm. Das macht zwar keinen guten Eindruck, allerdings nur bei dem Verbrecher selbst. Und wen kümmert sowas? Man könnte ihn auch einfach foltern und so die Info rauskitzeln, oder er bekommt ein paar Drogen verabreicht", sagte Davet und legte Ciel einen Arm um die Schulter. "Ciel kann da sicher einige Tipps geben", grinste er breit.


    Timothée Mauchelin
    »Der Mann wäre nicht Mitglied dieses Ordens gewesen, wäre er derart leicht aufs Glatteis zu führen. Er wird seit Jahren erfolglos gesucht. Ihr solltet damit rechnen, dass er sich einiges wird einfallen lassen, um zu gewährleisten, dass Ihr Wort haltet.«


    Davet la Caille
    "Das ist wohl wahr, ein Stümper überlebt nicht lange in solchen Berufen, wenn ich die Himmelsaugen als Beispiel nehme. Oder die Agenten der Autarkie, die ebenfalls an den Himmelsaugen gescheitert sind. Vermutlich aufgrund der Masse und der Magie. Vielleicht sollte man den Mann selbst anhören, bevor wir ein Urteil fällen. Schadet uns ja nichts", schlug Davet vor.


    Timothée Mauchelin
    Timothèe blickte Maximilien fragend an. »Ich könnte ein Treffen arrangieren.«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    Maximilien schaute seinen Sohn und seinen Bruder an und dachte einen Moment lang nach. Die Toten zu rächen, hatte jede Berechtigung, aber die Lebenden zählten vor den Toten. Und das was Felipe hinterließ, war nichts als ein offenes Chaos oder ein Machtvakuum. Für beides konnten die Ehverosser Almanen nichts. Ob er rigoros für die Rache der toten Souvagner entscheiden würde, oder ob er in diesem Fall den lebenden Ehverossern half war die Frage. Er würde sie nach einem Treffen mit dem Feuerteufel beantworten. "Arrangiert es", befahl der Duc.


    Timothée Mauchelin
    Timothèe verneigte sich. »Wie Ihr befehlt. Darf ich mich entfernen?«


    Maximilien Rivenet de Souvagne
    "Ja das dürft Ihr, wir danken für Eure stets zuverlässige Arbeit. Gehabt Euch wohl", sagte Max zuvorkommend.


    Timothée Mauchelin
    Timothèe verneigte sich noch etwas tiefer und entfernte sich dann rückwärts bis auf gebührende Entfernung, ehe er sich erneut ins Getümmel der Hochzeitsfeier stürzte.

  • Timothée Mauchelin
    Eine kleine Kutsche ohne Wappen rumpelte durch die Nacht. Das Klappern der schlecht verarbeiteten Ummantelung und der uralten Räder war das einzige Geräusch. Im Winter waren die Nächte still, selbst die Nachtvögel schwiegen. Wölfe gab es in dieser Gegend nicht, zumindest hörte Timothèe, der den vermeintlichen Ackergaul eigenhändig lenkte, nichts von ihrem Geheul. Hinter der struppigen Optik des Tieres verbarg sich ein bestens ausgebildetes Schlachtross, das auch aus der Distanz durch Rufe gelenkt werden konnte. Timothèe war dick eingepackt, so dass die Kälte ihm wenig ausmachte. Er lenkte die Kutsche den verwilderten, nicht mehr benutzten Handelsweg entlang, über den die Burg beliefert worden war. Dabei musterte er aufmerksam die verbliebenen Mauern und Fenster der geschleiften Gewitterfeste. Eine handbreit Schnee knirschte unter den Rädern, als er in dem verlassenen Burghof einfuhr. Er parkte die Kutsche, schälte sich aus der dicken Felldecke und stieg ab, um die Scherenriemen zu lösen, so dass das Pferd frei herumlaufen konnte. Timothèe blickte sich um, ob von Archibald schon etwas zu sehen war oder er ihm ein Zeichen hinterlassen hatte.


    Archibald von Dornburg
    Archibald war mit Nathan gemeinsam angereist. Sie hatten eine lange Zeit auf der Choucas verbracht. Das Schiff war fast so etwas wie ihr Zuhause geworden. Sicher vor Licht und anderen menschlichen Unannehmlichkeiten hatten sie hier einen Großteil ihrer Zeit verbracht. Die Beißer waren von Prince Ciel mitgenommen worden, er und Nathan blieben zurück. Groß gestört hatte es sie beide zuerst nicht, sie hatten einander, sie brauchten einander und sie liebten einander. Aber trotzdem gehörten sie zu den Beißern und die Beißer gehörten zu ihm. Arch war aufgewacht, als das Schiff ganz seltsam geschwankt hatte. Das Rätsel hatte sich schnell gelöst, die Choucas war in ein Dock verlegt worden. Ehe man sie rausschmiss, hatten Nathan und er lieber selbst den Hut genommen und sich auf den Weg gemacht. Sie nächtigten in Tavernen oder in alten Jagdhütten. Archibald hatte damit kein Problem und solange er in der Nähe war, gab es fast nichts, was Nathan fürchten musste. Zuerst hatte Arch vor mit Nathan in Mernas Haus zu ziehen, aber der Lockruf seiner Lenden war immer noch vorhanden. Der kleine Rotschopf ging ihm nicht aus dem Kopf... Beute, kleine mundgerechte Beute, die er allzugerne ausgetrunken hätte. Aber der kleine Happen war genauso verschwunden wie die anderen Schiffe samt Mannschaften und wer sonst noch alles fehlte. Sie hatten sich in der Gegend herumgetrieben, die Nacht zum Tag gemacht, wie es seit jeher Archibalds Lebenstil gewesen war. Ihr Hochzeit stand noch aus, aber diese würden sie so schnell wie möglich nachholen. Dann das Treffen mit dem äußerst verlockenden Angebot. Nun sie waren hier und ob sich der »Händler« zeigen würde, war noch ungewiss. Arch streckte sich in der Dunkelheit und wartete geduldig ab. Er vermisste Kasimir, die Beißer, sogar Jesper und den Stab. Sie konnten nicht ewig nur zu zweit überleben. Aber eines nach dem anderen, heute stand Frischfleisch auf dem Speisezettel, wenn alles gut ging. Falls nicht, dann hatte er einen Bruder zu suchen. Arch rollte sich auf die Füße als er das Pferd hörte. Jede Faser seines Körpers war angespannt, er lauschte wie ein Raubtier und schlich näher zum Ausgang. Ein Pferd, eine Kutsche, der Händer... wunderbar. Noch gab er sich nicht zu erkennen. Was Menschen trieben, wenn sie sich alleine wähnten war immer hochinteressant und sehr aufschlussreich. Arch beobachtete ihn und grinste zähnefletschend... wo war die Beute?


    Timothée Mauchelin
    Da Timothèe niemanden sah, was, wie er wusste, nichts heißen musste, kümmerte er sich um die Dinge, die man während einer Rast so trieb. Er machte dem Pferd einen Beutel Hafer zurecht, den er jedoch nicht am Halfter festmachte, sondern an zwei alten verrosteten Mauerösen. Die Pferdetränke war nicht weit davon. Timothèe durchschlug das Eis und warf die Schollen hinaus, so dass sein Tier an das Wasser kam. Er ließ sich bei allem Zeit, um die Dauer zu überbrücken, bis sein Kunde sich zeigte, falls er kam. Archibald war bekannt dafür, zu spät zu kommen, eine Unart, die er pflegte, weshalb Timothèe darauf vorbereitet war. Er holte mitgebrachtes Feuerholz heraus, befreite in einer windgeschützten Ecke den Boden vom Schnee und baute einen Kegel aus dünnen Ästen über Reisig, den er entzündete, ehe er die größeren Hölzer darauf legte. Hier inmitten des Moores, das die verfluchte Ruine der Chevaliers de Dupont umgab, brauchte er nichts und niemanden zu fürchten, der den Schein sehen konnte. Sie würden hier ungestört sein, besonders bei solchem Wetter.


    Archibald von Dornburg
    Der Mann kümmerte sich um sein Pferd, entzündete ein Feuer und schien vor nichts und niemandem Angst zu haben. Nun ein Raubtier fürchtete nichts, bis auf ein größeres Raubtier. Archibald gesellte sich lautlos zu Timo ans Feuer und hockte sich ihm gegenüber. Der Feuerschein warf tanzende Schatten auf Archibalds Gesicht, Schatten die schemenhaft über sein Anlitz hinwegzogen und es wabbernd zu einer grotesken Grimasse verzerrten. Ebenso schien sich der Schein des Feuers in seinen Augen zu spiegeln, doch bei genauerer Betrachtung stellte man fest, es war nicht das Lagerfeuer dass in seinen Augen loderte. Arch ließ sich auf die Fersen nieder, betrachtete Timothee´ wortlos und schenkte ihm ein Grinsen. »Hallo... schön Dich zu sehen... Du bist... allein? Ich dachte wir hätten eine Vereinbarung...«, säuselte Archibald. Die Stimmelage trog, seine Augen hatten einen eiskalten Ausdruck angenommen, wo immer das Feuer hin verschwunden war, es hatte Packeis Platz gemacht.


    Timothée Mauchelin
    »Guten Abend«, grüßte Timothèe. Er tat Archibald nicht den Gefallen, sich zu erschrecken, wenngleich er überrascht war, wie lautlos der Vampir scheinbar aus dem Nichts aufgetaucht war. Nichts hatte ihn angekündigt, Archibald machte beim Anpirschen keinen Fehler. Er hatte gewartet, bis Timothèe in eine geeignete Richtung blickte, bis er Geräusche verursachte und dabei auch die Windrichtung berücksichtigt. Das hingegen überraschte Timothèe nicht, eher die Perfektion, in der Archibald dies vermochte. Er nickte anerkennend. »Die Ware wartet in der Kutsche. Möchtest du sie mitnehmen oder hier vor Ort genießen? In letzterem Falle ist im Inneren genügend Platz und entgegen dem, wie es von außen wirkt, ist es darin windgeschützt und gemütlich.«


    Archibald von Dornburg
    Archibald behielt Timothee´im Auge. Er blieb ruhig, fast zu ruhig aber welcher Wolf erschrak vor einem anderen? Es sei denn es war einer jener Wölfe, der ein Schaf im Wolfspelz war. Es gab nicht nur Wölfe die sich tarnten. Die beste Möglichkeit um in einem Rudel Wölfe zu überleben, war wie ein Wolf auszusehen, wie ein Wolf zu handeln und so dem großen Fressen zu entkommen als Hauptspeise. Archibald zog die Augen ein klein wenig schmaler. Timo war gut, die leise fast beiläufig eingestreute Info, dass sich das Objekt der Begierde in der Kutsche befand... ein neugieriger Blick... und das war es. Man hätte dem Jäger ein zweites Lächeln über die Kehle gezaubert, sauber durchgeschnitten, bis zu den Halswirbeln. Dann musste er sich keine Gedanken mehr darum machen ob er satt werden würde, Timo würde es werden. Und falls er ihn verschmähte, würde er den kleinen saftigen Nathan verputzen. Der brav im Inneren der alten Ruine hockte, ganz so wie es ihm sein Mann gesagt hatte. Oh nein, das Spiel war alt, seine Augen zuckten nicht für den Bruchteil einer Sekunde. Es reichte, dass er vernommen hatte, wo die Beute war. Arch senkte leicht den Kopf und lächelte freundlich. »Die Ruine wird nur unbewaffnet betreten. Ich verspeise die Beute hier, Du holst sie aus der Kutsche und führst sie in die Ruine, ich bereite alles vor. Was genau steht heute auf der Speisekarte? Verzaubere mich mit einem Wissensbissen... Bruder«, gab Arch zurück. Er wusste, der Mann war weit mehr, als er zu sein vorgab. Genau wie er und er hatte seine Zähne schon oft in verbotenes Fleisch geschlagen, man roch es förmlich aus jeder Pore... alles an ihm schrie Mimikri...


    Timothée Mauchelin
    »Unbewaffnet? Dies würde bedeuten, du müsstest dir die Zähne und Krallen ziehen lassen. Wir beide müssten splitternackt durch die Winternacht gehen, um dem anderen zu beweisen, dass wenigstens die nicht körpereigenen Waffen draußen vor der Burg bleiben und wie wir beide wissen, ist selbst Nacktheit kein Garant. Wie also stellst du es dir vor? Ich möchte dir das Gegenteil vorschlagen. Wir beide bleiben, wie wir sind und nehmen zur Kenntnis, dass auch der andere mehr als nur einen verborgenen Dolch im Ärmel trägt.« Timothèe betrachtete Archibald so aufmerksam wie dieser ihn. Archibald wirkte hungrig und reizbar. Verständlich, in ihrer Branche war man stärker gefährdet als in den meisten anderen. Während gewöhnliche Mörder durchaus Anerkennung erfahren konnten, wenn sie als Soldaten dienten oder als Gardisten, wurde ihresgleichen prinzipiell von allem und jedem verabscheut. Auch das war verständlich. Ihr Leben war ein einziges Spiel aus Gejagtsein und selber Jagen. Timothèe verschränkte die Finger und wartete.


    Archibald von Dornburg
    Archibald immitierte die Geste ob bewusst oder unbewusst blieb offen, aber so sahen seine Krallen weitaus weniger bedrohlich aus. An Schärfe hatten sie nichts verloren aber sie waren eingeklappt, eingezogen als Zeichen der Friedfertigkeit. »Einverstanden, hole die Beute ich warte im Inneren der Ruine auf Dich. Für das Fleisch an sich habe ich danach keine Verwendung mehr, also wenn Du magst... Du bist eingeladen. Schäle Dir heraus, worauf Du Lust hast. Sie wird allerdings völlig blutleer sein, was klar sein dürfte. Nur zu, ich warte hole unseren erlauchten Gast. Er, ich hoffe es ist ein er, soll nicht zulange warten«, kicherte Arch vergnügt und man hörte dass er tatsächliche Freude war. Die Aussicht auf einen Biss war verlockend.


    Timothée Mauchelin
    Timothèe lächelte dünn. Gesten zu imitieren schaffte die Illusion von Gemeinsamkeit. Das Lächeln war weder freundlich noch geringschätzig. Es enthielt keine andere Botschaft, als jene, dass Archibald ertappt worden war. Timothèe erhob sich und nahm sich die Zeit, seinen Mantel glattzustreichen. »Lass dich überraschen.« Er drehte Archibald den Rücken zu, als er zur Kutsche schritt.


    Archibald von Dornburg
    Archibald erhob sich in einer geschmeidigen, fließenden Bewegung. Er schaute Timo hinterher und schmunzelte nun aufrichtig. Entweder war der Mann lebensmüde oder er wusste um seine Fähigkeiten. Ein uraltes Sprichwort, dass er sich immer wieder ins Gedächtnis rief lautete - eine Beute die sich nicht wie Beute verhielt, war auch keine. Arch schaute Timothee´aufs Kreuz, wie jeder Mensch spürte auch Timo dadurch, dass er beobachtet ja geradezu angestarrt wurde. Das war Sinn und Zweck der Übung. Genauso spürte Timo einen Moment später, das Arch den Blick bewusst von ihm nahm und ihn nicht mehr fixierte. Mauchelin hörte wie Arch in der Ruine verschwand, für seine Verhältnisse polterte er geradezu von dannen, ein klares Zeichen wohin er verschwand. Eine Antwort darauf, dass Timo das Wagnis eingegangen war, sich abzuwenden. Sie mussten anfangen einander zu vertrauen, sonst hatten sie beide nichts von ihrer Abmachung. Arch gesellte sich zu Nathan und küsste ihn. »Wir bekommen gleich Besuch, halte Dich bitte von beiden fern. Ich muss den kleinen Gast untersuchen und unser großer Gast, darf Dich nicht anfassen«, erklärte Archi und zupfte an der Fischkette.


    Nathan
    »Oh Archi«, begrüßte Nathan seinen Gefährten, zeitgleich mit einer Umarmung und zahllosen Küssen, die das von der Winterluft eiskalte Gesicht des Vampirs befeuchteten. »Wie soll ich mich fernhalten, es ist hier dunkel und kalt. Ich hatte solche Angst, der Wind hat geheult, ich dachte, es kommen Wölfe oder die Geister der Ahnen der Duponts spucken durch diese Hallen!« Er klammerte sich an Archibald und dieser sah, dass Nathan die blonde Kuschelpuppe an sich drückte, die er immer mit sich trug.


    Archibald von Dornburg
    Archibald streichelte Nathan beruhigend über den Kopf. »Licht wird total überbewertet mein Liebling. Es ist schädlich für die Augen. Geister und ruhelose Ahnen der Duponts? Möglich, die sind leicht zu vertreiben, gute Laune verbannt sie. Alles kann ein Dupont ertragen, von Weltschmerz bis zum Verlust der Verlobten, Gliedmaßen, Familienmitglieder und Schneestürmen. Sogar wenn sie ihre Lieblingspollunder verlieren, sie ertragen es in stoischer Verzweiflung. Aber gute Laune, dagegen sind sie nicht gefeit Nathan. Du musst nur was fröhliches singen und die Geister der Duponts fahren freiwillig zum Abgrund. So kennen und hassen wir Chiraq den alten Miesepeter. Wusstest Du, dass er scharf auf mich ist? Ich habe sowas ja schon immer geahnt, aber ohne Flacks, er hat mich mal umworben als ich im Zuber lag und nur weil ich ihn abwies, wollte er mich ertränken. Fast romantisch was? Hach ja die guten alten Zeiten, was vermisse ich Damir Mäusehirn und Holzi. Beide zusammen noch dümmer als... jedenfalls vermisse ich auch Fettwanst Jesper«, lachte Arch.


    Nathan
    »Was fröhliches Singen? Oh, das kann ich!«, rief Nathan vergnügt, klemmte seinen Minifabs unter den Arm und klatschte in die Hände. Sogleich begann er ein heiteres Kinderlied anzustimmen, sehr passend gewählt, wie er fand, denn kurz darauf erschien ein Mann in der Ruine. Nathan konnte ihn deutlich sehen, denn einer seiner Begleiter trug ein Licht. Der Mann hatte einen kleinen Jungen an der Hand, der verträumt wirkte, als sei er gerade aus dem Schlaf gerissen worden. In dem anderen Arm trug er ein in Decken eingeschlagenes Bündel. Der Junge hielt eine Sturmlaterne in der Hand, die für ihn so groß war, dass sie bis zu seinen Waden reichte, schlurfte mit den Füßen und stolperte manchmal. In der Mitte des Ganges blieb der Mann stehen. »Wo soll das Festmahl stattfinden?«, fragte er in die Dunkelheit, da er nicht wusste, dass sie sich hier verbargen. Nathan hörte auf zu singen und kicherte in seine Faust. Der Mann hatte ihn offenbar nicht gehört.


    Archibald von Dornburg
    »Wir sind hier!«, sagte Archibald klar und deutlich, »und wir feiern auch hier. Komm her«. Archibald musterte Nathan und knuffte ihn gut gelaunt, seine Lache war irre, düster und wahnsinnig. Archi mochte Nathan und seinen schrägen Humor, ein Meuchler mit Häkelpüppchen. »Heute wirst Du was lernen keiner Nathan«, säuselte er gut gelaunt und nahm Platz. »Tretet ein und dimmt etwas die Laterne, sie ist verdammt grell«, warnte Archi.


    Timothée Mauchelin
    Timothèe kam in den Raum, in dem Archibald mit seinem Begleiter Quartier bezogen hatte. Er ließ den Jungen los, der teilnahmslos wirkte und schloss die Tür, ehe er die Laterne einhändig hinter einem Geröllberg abstellte. Die Schatten, welche die Anwesenden warfen, wirkten riesig an der nackten Steinwand. Den anderen Mann beachtete Timothèe zunächst nicht. Archibald hatte deutlich gemacht, dass dieser ihm viel bedeutete und Timothèe würde ihn nicht reizen. »So, da wären wir. Ein Vierjähriger, 15 Kilogramm Lebendgewicht, weißhäutig, gesund. Und auf weiterhin gute Zusammenarbeit hier noch eine kleine Aufmerksamkeit.« Timothèe hielt das Bündel quer vor seiner Brust im Arm und zupfte die Decke etwas auseinander. Zwei rosa Ärmchen reckten sich hinaus.


    Archibald von Dornburg
    Arch schaute zuerst äußerst vergnügt und beobachtete jede noch so kleine Bewegung von dem kleinen Burschen. Er war mit irgendetwas ruhiggestellt, aber das verstand Arch. Timo wollte weder sich noch andere gefährden. Als er Arch ein zusätzliches Geschenk reichte, war dieser zuerst verblüfft, aber als er die Arme sah, stockte er. Er war selten wie vor den Kopf gestoßen aber in dem Moment war er es. Behutsam nahm er das Bündel entgegen, es war schwer, ein gutes Gewicht. Seine Krallen bohrten sich in die Decke als er diese vorsichtig aufschlug und hineinspähte.


    Timothée Mauchelin
    »Ganz frisch, vor zwei Tagen von der Mutter verkauft«, informierte Timothèe. »Noch keinen Monat alt. Das Kleine ist ein Mädchen, das Große ein Junge, da du davon sprachst, dass dir beides gefällt. Ich hoffe, du bist mit der Auswahl zufrieden.«


    Archibald von Dornburg
    Archibald lächelte liebevoll auf das kleine Mädchen herab und schaute dann Timo an. »Du weißt mich wirklich zu überraschen. Für einen Moment... für einen klitzekleinen winzigen Moment... habe ich tatsächlich geglaubt dies wäre Irmina. So jung und so unschuldig, Mütter sind wahre Monster Timo. Ich weiß wovon ich spreche, ich hatte so eine. Du hast mir wirklich eine Freude damit gemacht. Die Kleine ist absolut drollig... goldig«, sagte Arch verzückt und hielt ihr einen seiner Finger hin. Das kleine sanfte Wesen griff danach und lachte glucksend, während er sie sanft mit den Fingern der anderen Hand streichelte. Mit innigem Blick betrachtete er das Bündel von oben bis unten. Er lächelte, offen, freundlich und in dem Moment biss er mit aller Brutalität zu...


    Timothée Mauchelin
    Im selben Moment gellten zwei Schreie durch die Ruine. Der eine stammte von dem kleinen Mädchen, in dessen Bauch sich Archibalds angeschärfte Zähne gruben und der andere von Nathan, der kreischend und zitternd in eine Ecke sank. Timothèe warf ihm einen verärgerten Blick zu. Doch dann wandte er den Blick wieder ab, da es nicht den Eindruck erwecken sollte, er würde Nathan bedrohen. Teilnahmslos beobachtete er, wie Archibald sich die Vorspeise schmecken ließ. »Ja, das sind Mütter. Und Väter sind noch schlimmer.« Das andere Kind hatte die Augen aufgerissen, aber zeigte keine Anzeichen von Panik. Timothèe hatte es in einer Weise behandelt, dass es funktionieren würde, ohne Ärger zu machen. Die nützliche Kunst der Alchemie. Timothèe entdeckte Hafer auf seinem Ärmel und putzte ihn herunter.


    Archibald von Dornburg
    Nachdem er seinen ersten Durst gestillt hatte, reichte Arch Nathan mit blutverschmiertem Gesicht das Bündel, das lose zwischen seinen Krallen hing wie eine Stoffpuppe. »Iss«, befahl Arch Nathan und warf ihm das Bündel in den Schoss, wo es mit einem seltsamen dumpfen, nassen Klatschen aufkam. Archibald leckte sich die Lippen sauber und musterte den kleinen Jungen. »Halloo....«, schnurrte er und streckte freundlich die Hand nach ihm aus. »Wie heißt Du?«, fragte er neugierig.


    Timothée Mauchelin
    Das Kind starrte ihn aus glasigen Augen an, öffnete die Lippen und schloss sie wieder, ohne zu antworten. »Björn Kalau«, antwortete Timothèe, legte sich eine der Decken unter, mit denen das kleinere Kind warmgehalten worden war und ließ sich nieder. Er stellte ein Bein auf und legte das Kinn darauf ab, da er sich merkwürdig fühlte. Nathan indes hielt wimmernd den Sterbenden Säugling an sich gepresst und zitterte wie eine Pappel im Wind. Seine Anwesenheit störte, fand Timothèe und er wünschte, Archibald würde diese Person hinausschicken.


    Archibald von Dornburg
    Arch folgte Timos Blick, Nathan war noch nicht soweit. Vermutlich würde er nie soweit werden. Und selbst wenn er eines Tages ein Vampir wurde, würde er ihn ernähren müssen. Aber er hatte gewusst worauf er sich einließ, er wollte es nicht anders. »Ist in Ordnung, geh nach draußen und begrabe es. Du musst es nicht essen Nat«, sagte Arch freundlich und deutete nach draußen. Er wartete einen Moment, dann setzte er sich neben Timo. »Erstklassige Waren Du hast Geschmack, dass muss ich Dir lassen«, erklärte Arch mehr als zufrieden, ergriff den Jungen und zog ihn neben sich. »Du wirkst gerade etwas verloren, was ist los?«, hakte Arch nach und es interessierte ihn wirklich.


    Nathan
    »Du bist böse, Archi!«, schrie Nathan unter Tränen. Das Kind lebte noch und Archibald verlangte, dass er es begrub! Warum fuhren sie nicht wenigstens zu einem Arzt? Doch als er das fragen wollte, hatte sein Gefährte schon den Blick von ihm abgewandt und sich zu seinem genau so bösen Freund gesetzt. Weinend stolperte Nathan nach draußen, während er versuchte, mit den Händen die schlimme Wunde zu verschließen.


    Archibald von Dornburg
    Arch schaute ihn hinterher und schüttelte den Kopf. Es war immer befremdlich anderen beim Essen zuzusehen, aber er sagte auch nichts, wenn Nathan das seltsamste Zeug in sich hineinstopfte. Er verstand die Welt nicht, konnte sie mit seinem kindlichen Verstand nicht vollumfänglich erfassen. Vermutlich glaubte Nathan ebenso, dass die Schweine für sein Schnitzel an Altersschwäche starben und man ihnen noch die Pfote hielt während sie hinüberschwebten. Nach angemessener Trauerzeit wurden sie dann zu Schnitzel und Wurst, während man in großer Würdigung ihre Heldentaten erzählte und sie hochleben ließ, bevor es abwärts durch die Verdauungsgänge ging. Nathan war ein Kindskopf, deshalb liebte er ihn. »Er ist ein klein wenig verunsichert«, erklärte Archibald entschuldigend.

    Timothée Mauchelin
    »Er ist kein Jäger, es ist für ihn normal«, antwortete Timothèe verständnisvoll. »Darum genießt man besser unter seinesgleichen.« Erleichtert lehnte Timothèe den Kopf nach hinten an die kalte Wand. Das Geschrei von Nathan und dem Säugling hatte ihn unwahrscheinlich gestört. Er genoss die Stille nach Archibalds Frage. Der ganze Raum roch nach Blut und den Ausdünstungen der beiden Männer. Ein Lächeln zog Timothèes Mund auseinander, ein ziemlich breites Lächeln, fast schon freundlich. Er streckte das Bein lang, so dass Archibald einen Blick auf den Grund für seine merkwürdige Stimmung werfen konnte, der zwischen seinen Beinen stand.


    Archibald von Dornburg
    Arch lupfte die Augenbrauen und grinste sein messerscharfes Grinsen. »Schön dass es Dir hier so gut gefällt. Du hättest mein altes Zuhause geliebt. Ich habe es auch sehr geliebt, der Keller unter dem Keller voller Kinder. Und dann wurde ich bestohlen. Der Bruder meines Herrn, aber was solls. Wir bauen uns hier ein neues Leben auf und heben einen neuen Keller aus, so schwer ist das nicht. Möchtest Du zuschauen, wenn ich mich mit Björn unterhalte?«, bot Arch an.


    Timothée Mauchelin
    »Wenn ich dich nicht störe durch meine Anwesenheit, gern«, antwortete Timothèe und setzte sich gemütlicher hin. »Die Lieferungen hierher sind langwierig und mühsam. Die Büttel sind ein lästiges Ärgernis und es wird von Jahr zu Jahr schlimmer. Wenn ich dir einen Rat geben darf, versuche es in Naridien. Almanien ist gefährliches Pflaster, seit der Krieg vorbei ist.«


    Archibald von Dornburg
    »Ich komme aus Naridien und ich habe als erster Stabler meinen neuen Herrn hierher begleitet. Aber zur Zeit sehen wir uns echt selten. Du hast keine Ahnung davon wer er ist, aber es ist problematisch, da ich ein Vampir bin. Folglich kann ich meiner Aufgabe nicht mehr nachkommen und ihn überall beschützen. Vor allem Zuhause nicht. Somit weißt Du wo er lebt, im Palast. Vielleicht kehre ich nach Naridien zurück, aber ehr werde ich zurück nach Schattenschimmer reisen. Einem Ort an dem Personen wie wir willkommen sind, eine Stadt voller Gleichgesinnter, Vampire, Ghule, Nekromanten, Menschenfresser, jeder findet dort seinen Platz den die Oberwelt nicht haben möchte Timo. Überleg es Dir gut, die ewige Futterquelle ruft. Nun vielleicht hält sie nicht wirklich ewig, aber einige Jahre ganz sicher. Nebenbei es stört mich nicht, wenn Du dabei bist. Du solltest nur den Sicherheitsabstand einhalten. Also zu Deiner eignen Sicherheit, fass mich dabei nicht an. Unter keinen Umständen, gleich was Du siehst. Rede nicht mit mir, ich reagiere nicht auf Dich, das mag erst so aussehen, aber das täuscht. Und täusche ich Dich, zerfleische ich Dich. Nimm mir meinen Spielgefährten nicht weg. Bleib am besten dort wo Du bist. Genieß den Anblick aber komme nicht in den Dunstkreis der Bestie«, sagte Arch. Archibald betrachtete den Jungen. Er schaute ihn sich genau an, sehr genau und er spürte wie sich tief in seinem Inneren etwas regte. Uralt, mächtig und grauenerregend wandt es sich wie Gewürm in seinem Bewusstsein empor. Wie schwarze Nebelfäden hüllte es seinen Verstand ein und ließ nur absolute, wahnsinnige Gier und Lust zurück. Wie immer wenn die Bestie kam, kam sie schnell und zwar rasend schnell und gnadenlos. Der Junge wurde regelrecht aus dem Leben gefegt und Timo bekam eine Vorstellung davon, warum Archibald die Bestie genannt wurde. Die Bestie war alles, nur kein Spitzname. Sie war die grauenvollste Realität die man sich in menschlicher Form vorstellen konnte und sie fraß und verlustierte sich einen ausgestreckten Arm weit von Timo entfernt. Schauderhaft schön und eine tödliche Gefahr zu gleich. Im Hintergrund das Lied der Bestie - reißendes Fleisch, berstende Knochen, zerfetzte Sehnen und ein nasses stockendes Röcheln, der letzte Atem der Beute.


    Timothée Mauchelin
    Timothèe nickte Archibald zu, als dieser ihn warnte. »Dein Spiel, deine Regeln«, sprach er die ritualisierte Formel aus, die nicht nur Menschenfresser nutzten, sondern allerlei Dunkelvolk, das die ganze Bandbreite beinhaltete. Die Formel, welche die Dominanz eines Gegenübers für die Dauer des Spiels anerkannte - und gleichzeitig jede Form der Schuld von ihm nahm, um sie vollumfänglich auf den Spielleiter abzuwälzen. Die Formel kam meist zur Anwendung, um Neulinge einzuweisen, die noch nicht jegliche Hemmungen verloren hatten. Sie diente aber auch dazu, so wie jetzt, unnötige Diskussionen unter Jägern zu vermeiden, wenn die Möglichkeit bestand, dass sie einander unbeabsichtigt behindern konnten. Timothèe akzeptierte die unmittelbare Zukunft. Er würde der Bestie weder Einhalt gebieten, egal, was geschah, noch würde er sich ihr nähern, um an dem Spiel teilzunehmen. Kaum hatte er die Formel gesagt, nahm das Spiel seinen Lauf. Sehr viel schneller und brutaler, als Timothèe erwartet hatte, geschah das Unvermeidliche. Es gab keine Leidenschaft, keinen Genuss, nur menschgewordene Gier, die alles verschlang. Verschlinger ... so hatte man jemand anderen einst genannt. Timothèe wandte den Blick nicht für eine Sekunde ab.

  • Archibald von Dornburg
    Archibald hatte gefühlt schon ewig nicht mehr gejagt, oder besser gesagt Beute geschlagen. Auf Jagd war er immer, nur war Souvagne ein Land in dem es kaum möglich war, seinen täglichen Hunger zu stillen. Der Unterschied zu Naridien wurde einem dann bewusst, wenn man etwas mehr Freiraum benötigte. Das was Souvagner absicherte, verhagelte ihm die Jagd. An jeder Ecke standen irgendwelche Wachen, Büttel, Gardisten, Himmelsaugen, man konnte sich nicht einmal am Arsch kratzen, ohne das der zuständige Lehnsherr oder wohlmöglich der Duc davon erfuhr. Wobei Archibald den Verdacht hegte, dass all diese Leute Mittel und Wege hatten, bereits vor ihm zu wissen wann es ihn kratzte, anstatt aufs jucken zu warten. Was einen Vampir schon in die Verzweiflung treiben konnte und Personen wie ihn erst Recht. Aber auch hier hatte es Beißer gegeben, Tekuro hatte hier gelebt, auch wenn in der leichten Variante. Hatte sich mit Ungeziefer, Katzen und Hunden über Wasser gehalten um nicht zu verhungern. So war dieses Land. Im Grunde war es ein Land der Familien. Gehörte man einer Familie an, genoss man den größten Schutz, aber war man ohne Rückhalt, dann war man Freiwild. Die Heime sprachen eine andere Sprache. Gleich welches Heim, die Insassen waren Verlorene und für solche Seelen hatten Beißer stets eine Verwendung. Archibald wischte sich mit blutigen Krallen übers Gesicht. Diese Überlegungen waren eigentlich müßig, halfen ihm aber dabei die Bestie zurück in ihren Verschlag zu sperren. Zurückgezogen hockte sie dort, satt und vollgefressen in der Dunkelheit seiner Seele. Trotzdem immer mit wachen, stets bereitem Blick sich ihren Anteil aus der Welt herauszubeißen. Arch schaute auf die Überreste in denen er hockte. Ein Schaudern des Wohlbefindens ging durch seinen Körper, ehe er seinen Blick von seiner Beute löste und Timo anschaute. Er musterte den Mann eine Weile und während sich die Bestie völlig aus seinem Verstand zurückzog um Archibald Platz zu machen, sickerte auch das Leben zurück in nachtschwarze Augen. Seine blut- und gewebeverschmierten Lippen teilten sich zu einem messerscharfen Grinsen. »Und auf Deine Kosten gekommen?«, fragte Arch absolut entspannt.


    Timothée Mauchelin
    Timothèe kontrollierte gerade, ob sein Mantel Blutspritzer abbekommen hatte, doch das war nicht der Fall. Als Archibald ihn ansprach, blickte er auf. »Dafür war es etwas zu schnell gegangen«, antwortete er bedauernd. »Warst du so ausgehungert oder ist deine Art von Genuss generell so intensiv? Ich bevorzuge es ja ruhiger, beschaulicher, am besten in einer gemütlichen Stube bei einer guten Kanne Tee. Bist du gut gesättigt worden?«


    Archibald von Dornburg
    »Gesättigt und befriedigt also völlig zufrieden. Es ist immer so, es gibt keine Zurückhaltung sobald ich meine Leidenschaft auslebe. Das hat nichts mehr mit bewusstem Denken zu tun, es ist Extase und dieser Teil von mir hat seine eigene Geschwindigkeit. Aber meist bummelt die Bestie nicht. Bei einem Tee? Einen Tee könnte ich mir dabei nicht machen oder auf andere Dinge achten. Aber wozu auch? Sagen wir ich bin ganz aufs Ziel fixiert. Was wirst Du nun tun? Die Nacht ist noch jung«, grinste Arch.


    Timothée Mauchelin
    »Die Nacht ist jung, aber der Weg ist weit. Von daher wird wohl nichts anderes drin sein als der Heimweg. Was mich noch interessieren würde, ist, wann du zu zahlen gedenkst und wie ich an das Geld komme. Und ob du an einer weiteren Geschäftsbeziehung interessiert bist, wenn du mit der Ware zufrieden warst.« Timothèe betrachtete den blutigen, verrenkten und zerfetzten Rest, der auf der anderen Seite des Raumes lag. In seinen Augen war es Verschwendung, auf diese Weise zu genießen, doch das musste jeder Käufer letztlich für sich entscheiden.


    Archibald von Dornburg
    »Ich werde nach Hause reisen, das Geld holen und es Dir dort hinliefern, wohin Du es gerne hättest. Verfügst Du auch über abgerichtete Ware? Einst hatte ich einen Sklaven, aber irgendwo habe ich ihn verloren so seltsam es klingt. Nicht weiter schlimm, er war schon uralt und auch sehr krank. Wie steht es damit? Wenn Du einen angemessenen Preis nennen kannst für einwandfreie Ware, dann kommen wir direkt danach ins Geschäft und Danke für den Snack. Das möchte ich nicht unterschlagen«, antwortete Arch.


    Timothée Mauchelin
    Timothèe nickte leicht auf den Dank hin. »Mein Sohn Louis war abgerichtet. Nicht für mich, sondern für gute Freunde. Wir haben getauscht und die lieben Kleinen haben uns so manchen Abend versüßt. Manchmal vermisse ich ihn. Aber was nützt es, über verschütteten Wein zu klagen? Nach vorn zu schauen lautet die Devise. Abgerichtete Ware kann ich in Almanien momentan nicht liefern. Wie sieht es mit dem Zirkel in Obenza aus? Kommt man dort an diese Art von Ware? Wenn ja, lohnt es sich vielleicht, die geschäftlichen Beziehungen zum Zirkel zu vertiefen«, sinnierte er und strich über sein glattrasiertes Kinn. »Das Abrichten setzt ja geeignete Räumlichkeiten voraus, einen Kreis absolut zuverlässiger Mitarbeiter und vor allem Zeit. Man könnte voneinander lernen und profitieren. Welche Funktion übst du im Zirkel aus?«


    Archibald von Dornburg
    Archibald grinste Timo an und schüttelte gut gelaunt den Kopf. »Soweit sind wir noch lange nicht und es gibt nur einen Ort, an dem ich Dir diese Fragen beantworten würde, im Zirkel selbst. Ich habe schon oft Leute erlebt die einen der unseren anfüttern wollten. Das Baby, der Junge... nun ein steifer Schwanz macht Dich noch nicht zum Beißer. Und Louis habe ich nicht gekostet. Du hast vor meinen Augen kein Fleisch gekostet, Du hast zugesehen. Gut. Aber jeder bei Verstand hätte bestenfalls nur zugesehen, wenn er nicht irgendein Körperteil verlieren möchte. Die Bestie zu berühren, bedeutet den Tod selbst berühren, wenn Du damit leben kannst... möglicherweise zu sterben. Du bist kein Kind Timo, Du genießt keinen Schutz. Und wie der Schutz der Bestie aussieht... nun ich bade gerade meine Hände drin«, gab Arch zurück. »Der Zirkel Timo ist alles und Nichts, das Alpha und Omega, er ist Zuhause und Fremde, er ist dass was Du Dir erhoffst. Aber noch bist Du ein Ohne-Zahn, Du bist nicht einmal erwacht. Falls doch und Dich nicht eine kleine perverse Neugier treibt, dann iss von dem Fleisch. Iss es vor meinen Augen und schau mir dabei in die Augen. Ich möchte in die Spiegel Deiner Seele blicken, ich möchte den Abgrund sehen der dort lauert... wenn es denn einen gibt. Und danach reden wir über den Zirkel und einen Besuch. Sollte es den Besuch geben, dann wirst Du erfahren was Du wissen musst und möchtest. Aber vorher Timo, muss Du mir schon zeigen aus welchen Knochen Du geschnitzt wurdest. Ob Du ein Schauspieler bist, der hier mit dem Feuer spielt und sich vielleicht sogar selbst erhofft von so einem Wesen wie mir verspeist zu werden um für immer fortzubestehen, oder ob Du sogar einer meiner Art bist. Dann sind die Karten neu gemischt mein Freund. Aber vorher bist Du sowas wie ein guter Metzger, die haben auch oft leckeres im Angebot. Nur leider die falschen Spezies«, erklärte Arch gut gelaunt.


    Timothée Mauchelin
    Timothèe nickte. »Der Baronin bin ich ein Begriff, da ich euren Zirkel seit einigen Jahren schon zuverlässig beliefere. Frage sie einfach nach Onkel Timmy. Wenn du so lange warten kannst, würde ich gern mein Reisegeschirr aus der Kutsche holen. Mit den Händen zu essen ist meine Sache nicht.« Er erhob sich.


    Archibald von Dornburg
    »Was ich von Dir hörte, ist das eine. Ich möchte einfach einen Bissen als Beweis sehen. Nur zu, wo immer Du mit essen magst, iss. Und wenn Du beim Besuch der Baron ein Begriff bist und wirklich der bist, der ich meine, nun dann werden wir eine wundervolle gemeinsame Zukunft haben. Sollte nicht jedes Land von einem Zirkel profitieren?«, fragte Arch und machte es sich gemütlich. »Hol Dein Besteck Timo«, sagte Arch freundlich.


    Timothée Mauchelin
    Timothèe hob die Sturmlaterne auf und ging damit nach draußen. Auf dem Kutschbock sah er den wimmernden Nathan, der noch immer das Kind an sich presste und etwas stammelte. Er war kaum zu verstehen, aber Timothèe hörte heraus, dass er ihn bat, ihn mitzunehmen und das Kind zu einem Heiler zu bringen. »Mein lieber junger Freund«, antwortete Timothèe und legte Nathan eine Hand auf die Schulter. »Hier kann kein Heiler mehr helfen. Wenn du ihm etwas Gutes tun möchtest, sammle Steine für einen kleinen Grabhügel. Ein Loch auszuheben dürfte unter diesen Witterungsbedingungen unmöglich sein.« Timothèe überließ Nathan seinem Elend, holte einen geflochtenen Korbkoffer und trug ihn zurück in die Ruine. Dort stellte er die Laterne wieder hinter den Steinhaufen und hockte sich auf ein Knie, ohne damit den Boden zu berühren. Als er den Koffer aufklappte, offenbarte dieser sich als Picknickkorb.
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    Am Deckel waren mit Lederreimen Teller und Besteck befestigt. Im unteren Teil fand sich der Reiseproviant. Timothèe nahm einen Teller und ein scharfes Messer. Er trat an den Überrest heran und betrachtete ihn. Die Beine waren noch unangetastet. Er trennte sich etwas davon ab, zog die Haut ab und platzierte das rote Muskelfleisch auf dem Teller. Dann nahm er gemütlich neben Archibald Platz. Mit Messer und Gabel verzehrte er kleingeschnittene Stückchen, während er plauderte. »Einen Beißer würde ich mich nicht nennen. Es schmeckt vorzüglich, aber weckt in mir nicht die Begierde, welche die Beißer beim Verzehr empfinden.«


    Archibald von Dornburg
    Archibald beobachtete Timo und man sah ihm an, dass er zufrieden war mit dem was er sah. »So? Wie würdest Du Dich denn bezeichnen? Und was verschafft Dir Lust? Frage ich anders, weshalb isst Du Menschenfleisch, wenn nicht aus einem gewissen Grund? Du bist nicht gekleidet, als hättest Du einen derartigen Mangel erlebt, dass dies die einzige Überlebensoption gewesen wäre. Nun Optik kann täuschen, keiner weiß das so gut wie wir. Jedenfalls momentan siehst Du nicht danach aus. Also was ist Dein Antrieb?«, hakte Arch nach.


    Timothée Mauchelin
    »Geselligkeit«, antwortete Timothèe. »Ähnlich, wie wenn jemand, der sonst keinen Alkohol trinkt, mit einem fingerbreit Wein im Glas in der Runde anstößt. Was soll ich daneben sitzen und hungern oder meinen Gastgeber mit Sonderwünschen behelligen?« Er verzehrte den letzten Bissen, tupfte seinen Mund sauber und stellte den blutverschmierten Teller zum Abtropfen an einen Stein. »Mich reizt es, wenn sie leben und Dankbarkeit zeigen für die Mühen, die man sich mit ihnen macht. Nichts kann ich so wenig ausstehen wie unartige, ständig fordernde Gören. Man arbeitet, man bietet ihnen ein zu Hause über dem Kopf, tägliche Nahrung, ein weiches Bett. Da ist es das Mindeste, wenn sie sich für all das revanchieren. Du schätzt ausschließlich die Art von Genuss, die ich gerade sah?«


    Archibald von Dornburg
    »Nein ich differenziere schon zwischen einer Mahlzeit und einem guten Sklaven. Eine Mahlzeit ist eine einmalige Angelegenheit was in der Natur der Sache liegt. Aber ein Sklave ist jemand, den man sich mit sehr viel Liebe und Geduld zu eigen macht. Man formt aus dem was die Natur einem anbot, genau die Person die man sich als Begleitung sprich als Sklave wünscht. Und sobald die formvollendet ist, wird sie einem bis zur Selbstaufopferung dienen. Sogar vorauseilenden Gehorsam leisten. So einen Sklaven, kannst Du mit Deinen Spielzeugen - also jene die den Hunger zwischen den Beinen stillen, allein lassen. Er wird sie versorgen, säubern, füttern und alles was damit zu tun hat. Dein Sklave wird Dich sogar mit seinem Leben verteidigen, gleich wer Dich angreift, gleich wie schlecht seine Chancen stehen. Und er wird Dich bedienen. Was immer Du gerne hast, welche Vorstellungen Du liebst, er wird genau jenen Sex bieten. Und gleichgültig wie hart und unbarmherzig Du rangehst, er wird sich trotzdem dafür bedanken und Dir sagen wie gut Du es machst, dass er sich wohl fühlt, nach mehr sehnt. Dafür ist er da, er hat gelernt das zu plappern was man gerne dabei hört. Oder, das was ich persönlich bevorzuge, selbst dann absolut still zu sein, wenn er vor Schmerzen am liebsten kreischen würde. Aber er wird schweigen, er wird dienen - denn wenn er nicht dient, ist die Konsequenz dessen was mit ihm geschehen wird hundert mal grausamer, als das was ihm ein Feind jemals antun könnte. Er muss Dich dermaßen fürchten, dass es nichts auf der Welt gibt, was ihn noch erschrecken könnte. Sein ganzes Dasein muss sich darum drehen, Dich zufrieden zu stellen und Dich zu beglücken, denn wenn Du ihn bestrafst, wäre selbst der Tod eine Erlösung. Aber für Erlösungen sind wir nicht zuständig. Ich hatte einst ein guten Sklaven. Gut erzogen, dienend, ich konnte ihn überall mit hin nehmen und er gehorchte. Hat sich abends auf meinen Schoß gesetzt, brav eingecremt oder gepudert. Hat vorher gezeigt wie »willig« er ist, ihn mir hochgelutscht und sich dann draufgesetzt um seiner Pflicht nachzukommen. Dabei schwieg er oder er sagte dass was ich erwartet habe. Wenn ich ihn verliehen habe, hatte er sich für die Erfahrung zu bedanken. Einmal war er frech und ich habe ihm dafür eine Party spendiert. Er wollte mich nicht, also durfte er mit den »Erwachsenen« mitfeiern. 169 Männer fanden ihn als Leckerchen auf der Party hochinteressant. Festgebunden, abgedeckt nur das Wesentliche frei. Du hättest ihm am Morgen danach sehen sollen. Niemand hat ihm dermaßen geschadet, dass ihm wirklich was passiert wäre... nun was man so passiert nennt. Er lag dort paralysiert und hat begriffen wer von uns beiden der Herr und wer der Sklave ist. Seit dem war die Zahl 169 seine Lieblingszahl. Man musste sie nur erwähnen und er verstand dass er zu gehorchen hat. Oder man würde ihm eine Party ausrichten. Als die Party zuende war hatte ich keine Lust mich um das faule Stück zu kümmern. Ich überließ dies Kaz meinem Mündel. Er befreite ihn, er reinigte ihn. Er verpasste ihm so viele Einläufe, bis kein Gast-Saft mehr aus seinem kirschroten Arsch lief. Dabei hatte er sich leider nicht so unter Kontrolle wie man es von einem guten Sklaven erwartet. Also hat Kaz ihn noch einmal nach der Reinigung richtig schön hart durchgeritten, ihn noch einmal durchgespült und dann gut eingecremt. Nur weil man gefeiert hat, heißt dass ja nicht, dass man nicht am anderen Tag seiner Pflicht nachkommen muss nicht wahr? Oder einmal haben wir ihn ein bisschen aufgezogen. Immer dann wenn er recht frech wurde und Widerworte gab. Zur Entspannung haben wir ihn vollfixiert und ihm gesagt, dass es heute eine kleine Minifeier geben würde. Und da wir es gut mit ihm meinten, durfte er den Gast vorher sehen. Wir haben den widerlichsten Penner aus der Gosse gezogen. Dessen vereiterter Drecksschwanz stank bis zum Himmel. Du hättest sehen sollen wie er sich in seinen Fesseln wand. Dann bekam er einen Sack über den Kopf gezogen und wurde durchgenommen. Das war eine Nummer an die ich mich gerne erinnerte. Weil er heulte und bettelte und vor Gehorsamkeit regelrecht schlotterte. Als wir fertig waren ihm zu erklären was gut und schlecht ist, schmiss ich ihn aus meinem Zimmer. Der Trottel hat wirklich geglaubt dass ich diesen ranzigen Schwanz in meine Spaßhöhle tanzen lasse. Aber das sollte er ja auch glauben. Es reicht wenn er das Grauen nur annimmt... tatsächlich stattfinden muss es nicht. DAS Timo, das macht einen Sklaven aus«, erklärte Archibald versonnen.


    Timothée Mauchelin
    Timothèe lauschte verzückt. »Hm, mehr Zeit müsste man haben ...«, sprach er verträumt. »Dass du vorsichtig bist, ist nur allzu verständlich. Hat es in Naridien niemanden geschert, was 169 Männer trieben? Waren die Ordnungskräfte überfordert? Oder wussten sie schlichtweg nichts davon?« Er wischte seinen Teller mit einem Geschirrtuch ab und räumte den Picknickkorb wieder zusammen.


    Archibald von Dornburg
    »Wen sollte den scheren was ein Mann mit seinem eigenen Sohn treibt? Es ist sein Kind, er damit machen was er möchte. Du weißt das doch besser als alle anderen. Die 169 Soldaten waren die Soldaten meines Herrn, wir waren Wahlbrüder. Wir haben einander vertraut, einander geliebt. Er war ein guter Mann und so etwas würde ich nie leichtfertig sagen. Ja alles was man benötigt ist wirklich Zeit«, stimmte Archi zu.


    Timothée Mauchelin
    »Ah, seine Soldaten, dann sieht die Sache anders aus«, antwortete Timothèe. »Ein Abhängigkeitsverhältnis ist immer von Vorteil. Ein Lehnsherr, der sich mit seinem Eigentum vergnügt, wird im gewissen Rahmen niemanden scheren. Die Leute werden bewusst wegsehen. Anders verhält es sich, wenn gewöhnliche Freie oder Leibeigene den Ruf der Lenden verspüren. In Souvagne steht auf Kinderschändung die Pfählung. So möchte niemand gern enden. Wie wird die Sache in Naridien geahndet? Und ist jemand von euch bereits gefasst worden?«


    Archibald von Dornburg
    »Ja natürlich. In Naridien greift man knallhart durch. Man bezahlt sein Schmiergeld und dann geht man mit sauberer Weste nach Hause. Du verstehst schon, wo eine Hand die andere wäscht, herrschen noch lange keine sauberen Verhältnisse. Und mein Herr war nun sagen wir mal in einer Position aufgrund seiner Familie, dass eine Schmiergeldzahlung das gute alte Bakschesch harmlos und freundlich war. Er hätte die Sache auch jederzeit anders bereinigen lassen können, zum Beispiel durch mich... oder einen anderen aus seiner Familie. Dafür war seine Familie bekannt. Allerdings auch untereinander. Was recht unterhaltsam war, so hielt er sich einige Zeit lang eine seltsame Hure in der Stadt. Er schien wirklich einen Narren an diesem dussligen Weibsbild gefressen zu haben und vernachlässigte sein Training und auch seine Freunde. Das muss ich anführen. Also erzählte ich seinem Vater von diesem Verhältnis. Verstehe mich nicht falsch... in Naridien kannst Du sogar die Frau Deines Nachbarn täglich durchbürsten, Du musst nur den Schein wahren und darfst Dich nicht erwischen lassen. Du verstehst? Also erzählte ich Papa von dem Spielzeug das so ganz unter der Würde von seinem Sohnemann war. Gut der Vater war ein widerwärtiger Magier, aber was tut man nicht alles für das Seelenheil des Bruders? Die Frau lebte keine 24 Stunden mehr. Sie starb... auf unerklärliche Weise. Und damit war die Welt wieder in Ordnung, mein Bruder kümmerte sich wieder um seine Geschäfte, um mich, den Stab, seine Leute. Er hatte für eine kurze Zeit vergessen wer sein Rudel war, so ließ ich Papa ihm eine Erinnerung zukommen. Was hat er seinen Alten dafür gehasst. Scheinbar war die Hure schwanger. Wer es glaubt wird seelig. Die billigste Ausrede einer Hure um an den Schamhaaren aus den Sumpf gezogen zu werden. Sie erzählt dem Freier sie liebt ihn, ist schwanger und er fühlt sich noch als edler Retter. Sie behauptet sie ist schwanger und setzt dann alles dran, sich wirklich abfüllen zu lassen. Uralte Taktik, da musste die Pflaume schon früher aufstehen. Retter... ich hätte am liebsten im Strahl gekotzt. Gleichgültig, ich habe sie ja gerettet, sie war danach völlig frei, sogar frei von Lebensfunktionen. So habe ich immer für meinen Bruder eingestanden, ich habe ihn geschützt, sogar im Hintergrund, sogar gegen seinen Willen, wenn er selbst die Orientierung verloren hat und nicht mehr wusste was richtig und falsch war. Tarul seine Dienerin hat behauptet, er hätte sogar um die Fotze geheult. Du siehst, hätte ich nicht eingegriffen wäre er noch völlig weich in der Birne geworden. Meine Hilfe kam gerade noch rechtzeitig. So steht man als Naridier für einander ein. Es geht nichts über das Rudel, nichts über den Zirkel«, lachte Arch gut gelaunt bei den alten Erinnerungen.


    Timothée Mauchelin
    »Dein Herr und Bruder war sicher rückblickend dankbar für deine Intervention. Manche Abschiede tun weh, doch mit den Jahren sieht man, dass es oft auch etwas Gutes mit sich brachte. Ein schönes Leben muss es sein in Naridien.« Timothèes Blick wirkte entrückt. Ich war schon einige Male geschäftlich dort, doch es ist etwas anderes, dort seine Wurzeln zu haben. Vielleicht wähle ich dereinst meinen Altersruhesitz dort. Südnaridien wäre mein Wunsch, an der Küste. Daijian hat es mir angetan, die große Handelsstadt. Und Obenza wäre von dort auch nicht fern. Ich habe dir viele Fragen gestellt, auch solche, die man keinem Fremden stellen sollte. Es tut gut, mit Seinesgleichen zu sprechen ohne das ganze Schauspiel. Ich möchte mich dafür revanchieren. Stelle mir eine Frage deiner Wahl, bevor wir unser gemeinsames Essen beenden und uns fürs erste voneinander verabschieden.«


    Archibald von Dornburg
    »Berichte mir von Deinem Erwachen? Wie war es? Wann war es? Was hast Du empfunden? Angst, Ekel, Abscheu möglicherweise? Oder war es ein erhabenes Gefühl, ein Zuhause ankommen? Ein Wissen darum, dass man nicht der Herde angehört? Zu wissen das man der Wolf ist unter all den Schafen? Hattest Du Angst? Hattest Du Lust? Hattest Du Zuschauer oder warst Du allein? Hast Du dabei an Dir herumgespielt? Wurdest Du geil? Hast Du es langsam genossen oder in animalischer Gier verschlungen? Hattest Du Dich unter Kontrolle? Hattest Du einen sicheren Ort oder warst Du in der Öffentlichkeit? Wer war es? Hast Du sie oder ihn geliebt? Hat die Beute Dich erregt, hat sie was in Dir bewegt? Bist Du Deinem ureigenen Selbst gefolgt, oder bist Du anders darauf gekommen was Du bist? Kurzum erzähle mir alles von Deinem ersten Mal und lass es mich mit Dir genießen«, bat Arch.


    Timothée Mauchelin
    »Mein erstes Mal«, wiederholte Timothèe und schloss die Augen. Er lehnte sich an der steinernen Wand an, die ihn in diesem Moment an eine Umarmung erinnerte. Viele Jahre war es her. Silbergraues Haar auf sonnengebräunter Haut. »Du sprichst von meinem richtigen ersten Mal«, unterbrach er seine eigenen Gedanken. »Nicht von der Farce. Die meisten von uns kennen sie und viele müssen da durch, um die notwendige Fassade aufrechtzuerhalten. Ich erzähle dir davon, wie ich erwachte. In meinem Falle war es kein Erlebnis, sondern ein langsamer Prozess. Dass es diese Art der Liebe gibt, wusste ich von Kindesbeinen an. Darum war ich weder schockiert, als ich diese Form von Nähe selbst wünschte, noch kämpfte ich dagegen an. Es liegt so viel Unschuldiges in der Liebe eines Kindes, so viel Reines, was kein Erwachsener je geben könnte. Wir alle sind Lügner und je älter wir werden, umso mehr vervollkommnen wir unsere Verdorbenheit, du wie ich und wie wir alle. Man muss ständig auf der Hut sein, um nicht über den Tisch gezogen zu werden. Spricht ein Erwachsener: ›Ich liebe dich‹, so kann das alles Mögliche bedeuten, von ›ich finde dich heiß, lass uns das Bett teilen‹ über ›mir gefällt dein dicker Geldbeutel, teile diesen doch mit mir‹ bis hin zu ›ich finde leider niemand besseren, wir sollten heiraten, damit ich überhaupt unter die Haube komme‹. Wie viel ehrlicher ist dagegen das ›Ich hab dich lieb‹ eines Kindes? Es ist nicht die Lust, die mich treibt, nicht vorrangig. Es ist der Wunsch nach Aufrichtigkeit, nach wahrhafter Liebe, die keine Bedingungen kennt. Niemand als ein Kind kann so unerschütterlich in seiner Liebe sein. In der almanischen Gesellschaft, Archibald, ist es in vielen Kreisen Sitte, dass die Männer zur Volljährigkeit von geeigneten Damen und Herren angelernt werden. Mein Vater sah vielleicht, welche Sehnsucht in mir schlief und plagte mich nicht mit einer greisen Hure. Mein Mädchen wurde mir zugeführt, als ich mit 14 volljährig war. Rebecca war elf und somit damals nicht so viel jünger als ich. Ich sah sie zum ersten Mal, mit ihren dunklen Locken und ihren großen schwarzen Augen. Sie hatte einen ledwicker Akzent und noch heute genieße ich den Klang des ledwicker Asameisch. Wir waren allein für uns in einem Tavernenzimmer, das mein Vater für mich gemietet hatte und hatten alle Zeit, die wir benötigten, uns einander anzunähern. Es war spielerisch, scheu, ging mit Gekicher einher, dass mir heute peinlich ist, aber damals eben dazugehörte. Sie war witzig, lebhaft, zärtlich. Nach der gemeinsamen Nacht habe ich Rebecca geliebt. Es war jedoch eine einmalige arrangierte Angelegenheit und ich vermisste sie nach unserem Abschied schrecklich. Ich wurde älter, doch mein Blick suchte noch immer unter den Mädchen ihres Alters, in der Hoffnung, sie einst wiederzusehen. Ich fand sie nicht. Es ist, als seien meine Liebe und mein Verlangen festgefroren in dieser Zeit. Warum man meinesgleichen mehr hasst, als einen Mann, der Frauen schändet, ist mir unbegreiflich. Mich treibt keine Freude an Machtspielchen und keine Grausamkeit. Ich bin gut zu meinen kleinen Gefährtinnen. Nichts als Liebe ist es, die ich wünsche und gebe. Was also ist daran falsch?«


    Archibald von Dornburg
    Archibald hatte sich Timo gegenübergesetzt und hörte ihm zu. Seltsamerweise wirkte er dabei wesentlich älter, als er eigentlich war, so als entstammte er aus einer völlig anderen Zeit und hatte Dinge kommen und gehen sehen, die ein Mensch nicht in einem Lebenszyklus sehen konnte. Was in dem Falle allein der Zeit geschuldet war. Er lebte ein völlig anderes Leben als die meisten Menschen und hatte in Abgründe geblickt in die sich keiner zu blicken wagte. Mehr noch, er war darin hinabgestiegen und hatte dort in seiner Kindheit gespielt und so verstand er besser als jeder andere, was dieser Mann der ihm gegenüber saß in Rebecca gesucht und auch gefunden hatte. Archibald lächelte Timo wehmütig an und es war vermutlich das ehrlichste Lächeln, dass er jemandem seit einem halben Jahrhundert geschenkt hatte. »Danke für den Einblick in Deine Welt. Wer sagt denn, das wir falsch liegen? Es gibt kein richtig oder falsch, es gibt kein gut und es gibt kein böse. Alles was es gibt Timo, dass sind Interessenkonflikte. Menschen, allen vorran Erwachsene sind immer egoistisch und jeder möchte seine Ziele durchsetzen, seien sie noch so klein. Vielleicht erkennt er den darin zugrundeliegenden Egoismus gar nicht. Und deshalb lügen sie, cira 150 mal am Tag ohne besondere Lügen mitzuzählen. Sie lügen damit sie sich besser fühlen, damit sich andere besser fühlen um ihrer Welt den Schein zu erhalten und dne eigenen Schein zu wahren. Allein die lapidare Frage wie sehe ich heute aus? Wer antwortet dort mit beschissen? Nein... sie lügen alle. Niemand möchte dem anderen wehtun... nicht um ihn zu schonen, sondern um bei der gleichen Frage ebenfalls geschont zu werden. Du verstehst? Sie packen sich gegenseitig in Watte, weil sie keine Härte ertragen können. Die Wahrheit verlangt Stärke. Sie verlangt Mut, sie verlangt Kraft und sie verlangt das man über solche Unzulänglichkeiten steht. Denn wer mit der Wahrheit lebt, weiß jeder Mensch hat seine eigene. Also was schert mich, Deine Wahrheit über mein Aussehen, wenn ich für mich umwerfend bin? Aber soweit kommen sie gedanklich nicht und aus diesem Grund sind sie Beute. Mein Blick beschränkt sich nicht allein auf die Sicht eines Beißers. Ich habe die Essenz dessen kennengelernt, was ein Kind ausmacht, da ich nie eines sein durfte. Wonach sehnt sich der Mensch am meisten? Liebe, Zuneigung, Geborgenheit, Vertrauen... Urvertrauen... grundlose, unendliche Güte in den Armen einer liebenden Mutter. Beantwortet mit bedingungsloser Liebe. So ist ein Kind. Meine Mutter gab mich nach der Geburt fort. Ich liebte meine Amme wie eine Mutter, denn sie war meine Mutter. Und dann holte man mich zurück, entriss mich dieser Frau damit ich fortan unter meiner Familie leben sollte. So wie es Tradition war, darauf geschult alleine klarzukommen. Niemals jemanden zu brauchen, gleich um was es sich handelt. Ich hatte weder eine Kindheit, noch war ich ein Kind und ich verstand mit vier Jahren was man den anderen raubte. Und als die Zeit gekommen war und ich erwachte, da begriff ich eine Wahrheit Timo. Man kann die Kindheit nur retten, indem man sie konserviert. Also erlöse ich sie, jene die mir gefallen. Sie werden niemals den lästerlichen Zustand der Erwachsenen erreichen, dank mir. Und ich? Mein Lohn ist es, dass ich sie in mir horte, sie mir einverleibe. Mit jedem Kind das ich rette, bekomme ich ein Stück meiner Kindheit die man mir stahl zurück. So sprachen die Ältesten und es wurde wahr, denn schon beim ersten spürte ich völlige Glücksseeligkeit als ich sein Fleisch in einem viel zu großen Brocken hinunterwürgte. Richtig oder falsch Timo? Ist es richtig einem vollkommenen Wesen bei seiner Verrottung zuzuschauen? Oder ist es richtig es zu erretten? Ich es falsch, die Kindheit zu sammeln, diesen Schatz des Vertrauens? Dieses Gefühl der Nähe und Wärme? Wenn es falsch ist, warum stahl man es mir, wenn es doch niemand besitzen möchte? Wir Timo sind nur eine Seite von einer Münze. Und Münzen haben zudem noch einen Rand, der alles zusammenhält und dieser Rand, dass sind die Ältesten. Du bist so wenig falsch wie die Beute. Was ist richtig oder falsch? Tag oder Nacht? Sonne oder Mond? Beute oder Beißer? Was Timo? Nichts, denn wäre es falsch dann hätten es die Ältesten niemals erschaffen, oder die Existenz dessen getilgt. Wir sind die Reinigungstruppe, wir sind die Hüter der Gesundheit und der Gefühle. Ohne Schrecken, ohne Angst, keine wunderbare Erleichterung oder? Falsch ist nichts«, antwortete Arch freundlich.


    Timothée Mauchelin
    »Falsch ist nichts?«, wiederholte Timothèe sehr langsam. »Falsch ist alles. Das Leben ist ein Ball der Lügen und wir alle drehen uns darauf im Kreis. Es gibt keine Wahrheit auf dieser Welt, es sei denn, wir erschaffen sie uns und definieren sie als das, was uns fortan leiten wird, das, woran wir unser Handeln messen. Und dahingehend, mein lieber Archibald, gleichen sich unsere Ansichten.« Timothèe betrachtete den Vampir, der, so wie er selbst, durch eine harte Schule gegangen war.. »Es gibt harte Jagdhunde, die töten und solche, die mit weichem Maul jagen und ihre Beute lebend und unversehrt nach Hause bringen. Und doch sind beides Raubtiere und beide verfolgen letzten Endes das selbe Ziel. Ich denke, das ist ein guter Vergleich von uns beiden.«


    Archibald von Dornburg
    »Du schaffst Dir Deine eigene Wahrheit Timo. Das was Du Dir wünscht, das was Dein Lebensplan ist, das ist Deine Geschichte. Dein unendliches Buch. Das ist Deine Wahrheit. die Welt drumherum ist die Kulisse und die anderen sind die Statisten. Wer eine handelnde Person werden darf, wer eine Rolle bekommt Timo, das bestimmst Du. Deine Wahrheit, Dein Leben, Deine Geschichte Timo. Der Vergleich mit den Jagdhunden gefällt mir sehr gut, mit weicher Schnauze jagen - ja das müsste ich lernen. Unser Ziel ist das Gleiche und ich werde Dich dem Zirkel vorstellen. Dem Zirkel selbst«, sagte Arch.


    Timothée Mauchelin
    »Es wäre mir eine Ehre und eine Freude, mich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Manchmal ist auch der passionierteste Jäger es leid, wenn andere ihm stets auf den Fersen sind und nach seinen Fährten suchen. Einen Ort, wo man einfach nur sein kann, was man ist - das ist, wie ich mir den Zirkel vorstelle. Bislang ist er mir nur über jene Männer bekannt, welche die Bestellungen in Auftrag gaben und die Ware annahmen. Sie alle sprachen nur gut von ihrem zu Hause und von der Baronin.«


    Archibald von Dornburg
    »Das freut mich zu hören Timo. Jedes mächtige Raubtier, lockt andere Jäger auf den Plan. Sie möchten sich Deinen Kopf als Trophäe über den Kamin hängen Timo. Und Du möchtest sie ausschalten, dass ist eine ganz natürliche Reaktion. Aber es sich auch ganz normal, dass man irgendwann eine kleine Rast benötigt. Um rasten zu können benötigst Du ein Nest. Der Zirkel ist ein Nest, eine Heimat, Du kannst alleine sein wenn Du möchtest und Dich zurückziehen. Du kannst aber auch jederzeit Deine Kammer verlassen und mit anderen plaudern, essen, Dich austauschen, oder einfach nur dabei sitzen. So wie Du es ja magst. Es ist schwer den Zirkel in Worte zu fassen, man kann ihn nur mit der Seele erfassen. Du musst spüren, was er Dir bedeutet. Ich bin gerne dort, sehr sehr gerne. Aber ich bin auch genauso gerne unterwegs oder in meinen Unterschlüpfen. Wenn ich für mich sein möchte, dann bin ich lieber an einem völlig unbekannten Ort, selbst für Zirkler«, gab Arch zu bedenken.


    Timothée Mauchelin
    »Auch das ist verständlich«, antwortete Timothèe. »Wer in der Jagd fortgeschritten ist, hat mehr als nur ein Nest. Meist eines, das sehr offensichtlich ist und das die meisten für sein zu Hause halten. Und dann - das wahre zu Hause. Zuzüglich kleiner Verstecke, um unterwegs Kraft zu tanken. So, wie du es schilderst, ist der Zirkel ein sicherer Ort. Gibt es untereinander viel Streit, weil der eine dies wünscht und der andere jenes oder seid ihr wie eine große Familie?«


    Archibald von Dornburg
    »Nein es gibt keinen Streit, die Baronin führt den Zirkel mit eiserner aber gütiger Hand. Und um die Wünsche muss niemand streiten, denn gleich was Dein Wunsch ist, er wird Dir dort erfüllt. Ob Du etwas zum Spielen möchtest, ob Du einen Happen essen möchtest, roh, gebraten, gesotten. Ob Du nur Körperflüssigkeiten liebst - wie Blut, oder ob Du Körperausscheidungen bevorzugst, ob Du nur bestimmte Teile favorisierst, für jedes Bedürfnis ist mindestens einer im Zirkel der weiß wie Dir zu helfen ist. Und dann gibt es noch Leute wie mich, jene die jagen und die Beute ins Nest schaffen. Also was immer Dein Herz begehrt, gleich wie dunkel oder vermeintlich grausam, dort ist das alles kein Problem. Das was die Oberwelt als Abgrund bezeichnen würde, ist dort Alltag... für die Beute. Der Umgang untereinander ist respektvoll. Allerdings wird man von Dir Respekt den Höhergestellten gegenüber erwarten, Du erkennst sie an den scharfen Zähnen. Aber sonst? Nun Du wirst eine Kammer bekommen, Du wirst aufgenommen und Du bist Teil der Familie. Was die Baronin sagt ist Gesetz, Dir wird es dort an nichts mangeln. Es gibt dort sogar Personen die stiegen hinab in den Zirkel und gingen niemals wieder zurück an die Oberfläche. Sie haben dort ihre Erfüllung gefunden«, antwortete Arch.


    Timothée Mauchelin
    Timothèe lauschte gebannt. Es war selten, dass ihn etwas derart zu faszinieren vermochte. »Welche Gegenleistung wird erwartet, das alles muss ja irgendwie finanziert werden. Menschliche Ware ist auch in Obenza nicht billig, wenn sie zum dauerhaften Verbleib über den Ladentisch geht. Ich fühle mich wohl hier in Souvagne. Es ist mein vertrautes Jagdrevier, in dem ich jeden Winkel kenne. Doch was ist, wenn es mir dort im Zirkel derart gefallen sollte, dass ich den Wunsch verspüren würde, zu bleiben? Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein? Oder ist es zu früh, darüber zu sprechen?«


    Archibald von Dornburg
    »Ach was nein, darüber kannst Du Dir doch ruhig schon Gedanken machen. Sollte dies der Fall sein, musst Du eine Aufgabe im Zirkel erfüllen. Bestenfalls hast Du eine besondere Fähigkeit, die zum Erhalt oder zur Unterstützung des Zirkels beiträgt. Was weiß ich, Du kannst gut entbeinen. Oder Futter beschaffen, oder Geschäfte abwickeln, es ist gleich - Du musst eine Aufgabe übernehmen. Das ist der Preis, also im Grunde arbeiten damit der Zirkel funktioniert. Auch jene die immer im Zirkel verweilen haben ja eine Aufgabe, sonst ginge es nicht. Sie kochen, zerlegen, sondieren, separieren, versorgen die Sklaven und und und. Irgendwas wird für Dich sicher dabei sein, aber was das sein wird, dass besprichst Du mit der Baronin Timo«, erklärte Arch gut gelaunt.


    Timothée Mauchelin
    »Mit Buchhaltung könnte ich dienlich sein«, antwortete Timothèe. »Es würde sich letzten Endes nur der Arbeitsplatz ändern. Vielleicht ergibt sich auch eine Art Teilzeitarbeit, damit ich die Kontrolle über mein hiesiges Jagdrevier nicht verliere. Du sagtest, du kommst und gehst im Zirkel, wie es dir beliebt. Wenn dies jeder täte, würde er vermutlich nicht funktionieren. Wie kommt es, dass man dir das durchgehen lässt?«


    Archibald von Dornburg
    »Ich bin Jäger, deshalb Timo. Ich streife umher, jage und komme irgendwann zurück mit ausreichend Beute. Und ich bin einer der besten Jäger die es gibt. Ob der Beste, nun dass mögen andere beurteilen, es gibt viele gute Männer und Frauen da draußen, aber ich spiele in der Topp-Liga. Wenn Du natürlich zu den Köchen gehörst, kannst Du nicht kommen und gehen wie Du möchtest. Du hast dann dort Deinen festen Platz zu festen Zeiten. Als Buchhalter hättest Du vermutlich Deine Arbeit abzuleisten. Wann ist gleich, Hauptsache die Arbeit ist erledigt. Danach kannst Du auch auf Wanderschaft gehen. Wieso solltest Du das nicht dürfen? Die Maschinerie muss nur am leben erhalten werden. Beute muss rangeschafft werden, im beständigen Intervall, dafür sorgen die Jäger. Und wie die Beute verarbeitet wird, dafür sorgen die anderen. Das ist nicht mein Problem, es ist nicht meine Arbeit. Einige meiner Leute sind dort vor Ort, Du wirst sie kennenlernen«, sagte Arch grinsend.


    Timothée Mauchelin
    »Ich freue mich, deine Bekannten kennenzulernen«, antwortete Timothèe. Und tatsächlich war er sehr gespannt, welche Gestalten ihn an einem solchen Ort erwarteten. Das Klischee der Widerwärtigkeit, Abschaum aus der Gosse? Oder das Gegenteil, war der Zirkel aufgebaut wie ein seriöses Geschäft? Oder eine bunte Mischung aus allem? Und wie mochte die Baronin sein? »Ein Gastgeschenk für die Gastgeberin wäre angemessen«, sinnierte Timothèe. »Welchem Geschmack frönt sie?«


    Archibald von Dornburg
    Archibald schaute Timo an und musste schallend loslachen. »Timo die Frage bei der Mutter Oberin einer Menschenfresserorga ist doch nicht Dein Ernst? Das Gleiche was Du mir geschenkt hast, würde sie völlig verzücken. Auch wenn sie es wesentlich langsamer verspeisen würde als ich... zudem würdest Du in den Genuss kommen zu sehen wie es gebraten wird, mit Honig überstrichen vorher und wie es dann überall im Zirkel nach frischem Knusperfleisch in Honigmantel duftet, bevor sie das erste weiße Fleisch von weichen Knöchlein schneidet. Also die Frage war nicht sehr klug, aber lustig«, antwortete Archi.


    Timothée Mauchelin
    Timothèe lächelte milde, als Archibalds Gelächter durch die Ruine hallte. »Ich habe mich missverständlich ausgedrückt«, sprach er. »Die Frage bezog sich auf die Art der Beute. Männlich, weiblich? Alter? Volkszugehörigkeit, Statur? All die Fragen, die ich auch dir stellte, bevor wir ins Geschäft kamen.«


    Archibald von Dornburg
    »Babys, Kleinkinder maximal 2 Jahre, weiblich - das ist ihr Beuteschema. Mit so einem kleinen Bündel würdest Du sie sehr erfreuen. Allerdings musst Du es lebend liefern, so wie Du die Kleine hier mitgebracht hast Timo. Damit machst Du nichts verkehrt«, erklärte Archibald. Arch freute sich über Timos Wissbegier, er hoffte der Mann war ein neuer Bruder und kein weiteres Festmahl, weil er sich daneben benahm. Aber so wie er aussah, hatte er Benimm. Andernfalls wurde er Timo vorher etwas Benehmen beibringen, damit es nicht zum Äußersten kam. Für den ersten Eindruck gab es leider keine zweite Chance.

  • Archibald von Dornburg
    Arch stand auf und schaute draußen nach Nathan. Er saß auf dem Kutschbock. »Bin gleich wieder da«, sagte er zu Timo und ging hinaus um mit Nathan zu sprechen. Vor seinem Kleinen blieb er stehen, schaute zu ihm auf und tippte ihn an. »Nathan, was ist denn mit Dir? Komm her«, gurrte Archibald.


    Nathan
    Böse funkelten Nathans Augen ihn aus einem blut- und tränenverschmierten Gesicht entgegen. »Du bist ein böser Archi!«, schrie Nathan ihn an. »Du hast das Baby totgebissen!«


    Archibald von Dornburg
    Arch schaute bekümmert zu Nathan auf und rieb sich den Nacken. »Ich hatte aber Hunger Nathan, ich dachte Du verstehst das. Ich bin doch ein Vampir. Es ist nicht meine Schuld, dass ich Blut saugen muss. Na komm wieder in meine Arme«, bat Arch.


    Nathan
    »Aber du hättest mein Blut trinken können«, jammerte Nathan. »Das hab ich dir versprochen. Oder das von dem blöden Timo, der ist groß genug, da hättest du mehr davon gehabt.« Nathan wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht und ein langer Rotzfaden klebte von seiner Nase aus quer über der Wange.


    Archibald von Dornburg
    »Nathan jetzt wirst Du aber ungerecht, was kann den Timo dafür? Er hat mir doch extra das Baby mitgebracht, damit ich sonst niemanden beißen muss. Und Du weißt was geschieht, wenn ich Dich beiße. Möchtest Du etwa auch ein Vampir werden?«, fragte Arch lauernd.


    Nathan
    »Timo ist blöd. Ich brauch ein Taschentuch.« Nathan kramte mit der freien Hand in seinem Mantel und schnaubte geräuschvoll. »Ich mag gar kein Blut trinken. Aber wenn du so lange lebst und ich irgendwann sterbe, dann ist niemand mehr da, der sich um dich kümmert. Darum hatte ich das in meinem Kopf überlegt. Aber dann müssen wir doppelt so viele Leute austrinken.


    Archibald von Dornburg
    »Ja Nathan aber wir wären für immer zusammen Schatz, für immer eine Ewigkeit nur wir beide. Du weißt doch dass ich Dich liebe, verdammt Du bist der Einzige den ich so liebe. Gut pass auf, ich verspreche Dir nie wieder ein Baby auszutrinken, wenn Du mich heiratest und mich Dich weihen lässt«, schlug Archibald vor.


    Nathan
    Nathan guckte Archibald das erste Mal wieder in die Augen. Dabei zitterte er am ganzen Leib. »Und auch keine großen Kinder? Erwachsene haben viel mehr Blut, da musst du nur halb so viele austrinken. Und wenn du nicht alles trinkst, sterben sie auch gar nicht. So wie im Bugraum, weißt du? Wo Robby dir aus seinem Arm zu trinken gab und ich war da in deiner Hose. Und da war es auf einmal ganz eng drin und klebrig. Aber zum Glück hatte ich die Matrosen gefragt, wo ich Wäsche waschen kann. Dann war alles wieder gut.« Er starrte den Mann, den er liebte, und dessen ganzes Gesicht voller Blut war, angstvoll an. »Alles ... wieder gut«, wiederholte er, um sich selbst zu ermutigen.


    Archibald von Dornburg
    Arch starrte Nathan an, der Kleine verhandelte mit harten Bandagen. »Nathan... gut, keine Kinder mehr. Ich werde keine Kinder gleich welchen Alters aussaugen. Ja ich erinnere mich, das war der Tag, als ich solchen grausamen Durst hatte und versehentlich Tekuro segnete. Aber es hat ihm nicht geschadet und wir beide waren glücklich. Er ist mein erster eigener Bisssohn. Na komm Natty«, kratzte sich Archibald wieder ein.


    Nathan
    Zaghaft umarmte Nathan seinen Gefährten und kuschelte sich an ihm ein. »Ich hab dich so lieb, Archi«, wisperte er und weinte.

    Archibald von Dornburg
    »Nicht weinen Nathan, komm weine nicht«, flüsterte Archibald ihm ins Ohr und küsste ihn sanft auf den Hals und den Mund, dabei drückte er ihn fest an sich. »Ich beschütze Dich Nathan aber auch ich habe so den einen oder anderen kleinen Fehler«, erklärte Arch leise.


    Nathan
    Nathan kniff die Augen zusammen, als Archibald ihm einen blutverschmierten Kuss auf die Lippen drückte. Dann nickte er tapfer. »Wenn ich ein Vampir wäre, würde ich Timo austrinken«, sagte er ungewohnt garstig. »Er hat dich verführt, indem er dir die Kinder mitgebracht hat. Das hat der bestimmt mit Absicht gemacht. Du konntest da gar nichts dafür eigentlich.«


    Archibald von Dornburg
    »Ja darum werde ich ihn in den Zirkel bringen, damit er dort unter seinesgleichen lebt und kein Unheil mehr stiftet. Dann musst Du ihn nicht mehr aussaugen. So bist Du doch gar nicht, so böse und nachtragend Nathan. Nun ich denke er hat mich damit bestochen, damit ich gut zu ihm bin. Er ist verloren, er hat keine Familie, dass ist sein Problem. Darum nimm es ihm nicht übel, er wollte nur Hilfe«, sagte Arch.


    Nathan
    Nathan guckte eine Weile in die Luft, dann nickte er noch einmal langsamer. »Er hätte einfach mit dir reden sollen. Dann hättest du ihm geholfen. Es war gemein von ihm, die armen Kinder! Darum ärgere ich mich über ihn. Er wollte mich auch nicht mit dem Kleinen zum Arzt fahren. Er hat lieber Picknick gemacht. Ich hab genau gesehen, dass er den Korb da rausgeholt hat.«


    Archibald von Dornburg
    »Ja Du hast Recht Nathan, er muss noch lernen. Er ist noch nicht so gefestigt, Du wolltest helfen und bist sogar anständiger als ich. Du hast nie jemanden gebissen. Du bist wie immer rein, unschuldig, mein Nathan. Lass uns Timo in die neue Heimat bringen, damit er Erlösung findet. Und Du und ich, wir sollten unser Versprechen einlösen. Ich freue mich darauf Nathan«, erklärte Arch.


    Nathan
    »Ja, Jaques wollte uns trauen. Aber niemand ist mehr da ... sie sind alle weg. Ich hoffe, sie kommen bald wieder. Wir müssen doch heiraten, weil wir uns so liebhaben«, erklärte Nathan und kuschelte sich an Archibald. »Ich bin sooo müde.«


    Archibald von Dornburg
    »Ja es tut mir leid«, sagte Arch und fragte sich, was er da sagte. Aber bei Nathan fühlte sich das normal an. »Wir fragen sonst den Kollegen von Silvano. Du erinnerst Dich? Der der auch Boldi und Vano getraut hat. Oder von ihm der erste Offizier. Wir heiraten, gleich was andere denken. Dafür sorge ich Nathan«, versprach Archibald ernst.


    Nathan
    »Das ist lieb von dir ... ich wusste immer, dass du so lieb bist.« Nathan schniefte leise. »Ich bin traurig. Und ich will nicht in der unheimlichen Ruine schlafen, mir ist kalt.«


    Archibald von Dornburg
    »Dann brechen wir auf und suchen uns eine schöne Taverne, eine wo ich sicher schlafen kann und Du Dich richtig wohl fühlst. Mit einem schönen Kamin, dicken Matratzen und kuschligen Decken. Extra nur für Dich Natty«, bot Archi an.


    Nathan
    »Timothèe muss uns dortin mitnehmen in seiner Kutsche«, fand Nathan. »Meine Füße tun weh. Ich bin noch nie so viel gelaufen und meine Schuhe sind kaputtgegangen. Ich muss sie mal zum Schuster bringen. Aber ich glaube, ich bekomm von Ciel jetzt gar kein Geld mehr.«


    Archibald von Dornburg
    »Du bekommst von mir Geld, ich muss eh nach Hause und Geld holen Nathan. Ich werde Dir ebenso Geld geben, damit Du gut auskommst. Die Schuhe kann ich mir anschauen. Ansonsten lassen wir sie reparieren oder kaufen Dir neue. Keine Sorge. Lass uns zu Timo gehen, er kann uns an einer Taverne rauslassen«, stimmte Archibald zu.

    Nathan
    Timothèe kam jedoch gerade samt Sturmlaterne und Koffer aus der Ruine. Nach wie vor vermied er es, Nathan anzuschauen, was diesen ärgerte. Er fand das unhöflich. Nathan kroch in das Innere der Kutsche und rollte sich da in den vielen Decken und Kissen ein, die darin lagen. Archibald würde das schon richten. Mit Archibald wurde alles gut. Nathan weinte sich lautlos in den Schlaf.